Beteiligung, Begegnung, Befähigung - Vorschlag einer neuen EU-Jugendstrategie 2019-2027

Am 22. Mai 2018 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine erneute EU-Jugendstrategie für den Zeitraum von 2019-2027 vorgelegt.
Neben dem Vorschlag wurde darüber hinaus ein Bericht zu den Lebenslagen junger Menschen veröffentlicht, der die Daten und ihre Auswertung auf der Grundlage der bestehenden 41 Jugendindikatoren in den acht Aktionsfeldern der aktuellen EU-Jugendstrategie zusammenfasst und die Entwicklungen in den letzten Jahren beschreibt. Zusammenfassend zeigt der Bericht, dass sich die Lebenssituation junger Menschen in den EU-Ländern – übergreifend betrachtet – verbessert hat, dennoch existieren strukturelle Probleme, die sich auf die Lebenslagen negativ auswirken, z. B. stagniert die Zahl junger Menschen mit Bildungsschwierigkeiten, immer noch ist eine erheblich große Menge von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Dies bedeutet gegenwärtig, dass es zum einen junge Menschen gibt, denen eine Reihe von Chancen offen stehen, demgegenüber steht aber eine zu große Gruppe mit weniger oder keinen Möglichkeiten, die mit schwierigen Lebensbedingungen zu kämpfen haben.
Die EU-Kommission kritisiert die bestehenden Ungleichheiten und sieht ein großes Potential in jungen Menschen, welche zentrale Akteure des gesellschaftlichen Wandels sind und die Zukunft der EU bereichern, prägen und diese gestalten. Dementsprechend ist die neue EU-Jugendstrategie formuliert, deren inhaltliche Themen und Ziele so aufgestellt sind, dass sie der Disparität  hinsichtlich der Lebenslagen junger Menschen entgegensteuern.
      
In der letzten EU-Jugendstrategie waren acht Themenfelder mit entsprechenden jugendpolitischen Zielen festgelegt, diese wurden nun auf vier übergreifende Ziele und drei Aktionsbereiche beschränkt. Die zentralen Ziele lauten:

  • Junge Menschen ermöglichen, ihr eigenes Leben zu gestalten, Widerstandsfähigkeit aufzubauen und sich Lebenskompetenzen anzueignen, um in einer sich verändernden Welt zurechtzukommen;
  • Junge Menschen dazu anregen, sich durch die Identifizierung mit den Werten der EU und einer europäischen Identität als aktive und solidarische Bürgerinnen und Bürger für einen positiven Wandel der Gemeinschaft in ganz Europa einzusetzen;
  • Soziale Ausgrenzungen junger Menschen zu verhindern;
  • Die Auswirkungen von politischen Entscheidungen auf junge Menschen durch Dialog und Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse in allen Sektoren zu verbessern  

Die EU-Kommission definiert in ihrem Vorschlag folgende Aktionsbereiche:

  1. Beteiligung: Förderung der Beteiligung junger Menschen am demokratischen Leben
  2. Begegnung: Ermöglichung von Jugendbegegnungen in der gesamten EU und darüber hinaus, um freiwilliges Engagement, Lernmobilität, Solidarität und interkulturelles Verständnis zu fördern
  3. Befähigung: Stärkung der Befähigung der Jugend durch Qualität, Innovation, Anerkennung von Jugendarbeit 

Eine Reduzierung der Themenbereiche ist durchaus vorteilhaft, lässt dies doch eine  stärkere Fokussierung der EU-Mitgliedstaaten auf die Themenfelder zu, was positiv zu einer erfolgsversprechenden Zielerreichung beitragen kann.

Die neue EU-Jugendstrategie baut auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der derzeitigen EU-Jugendstrategie auf und setzt zum einen Themen, deren Umsetzung bisher nur mäßig gelungen ist, erneut auf die Agenda, zum anderen kommen neue thematische Schwerpunkte hinzu. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht mehr als bisher vor, die Teilhabe junger Menschen mit Benachteiligung zu fördern, um sie aktiver am demokratischen Leben beteiligen zu können. Als zweiter wesentlicher Bereich sollen die Möglichkeiten des Lernens, des Engagements, der Vernetzung und der Gestaltung in und von Europa durch grenzüberschreitende Mobilität in der neuen EU-Jugendstrategie verankert werden. Darüber hinaus betont der Vorschlag der EU-Kommission die Bedeutung von Youth Work und spricht sich mit der Schaffung einer EU-Agenda für Youth Work für eine Stärkung und Profilierung der Jugendhilfe als eigenständiger Bereich auf europäischer Ebene aus.

Die neue EU-Jugendstrategie setzt alt bewährte, aber zwischenzeitlich weiterentwickelte sowie neue Instrumente und Maßnahmen, zur Realisierung der Ziele ein. Um beispielsweise noch effektiver die Zielgruppe der jungen Menschen mit Benachteiligung zu erreichen, soll z. B. der  „EU Youth Dialogue“, derzeit als „Strukturierte Dialog“ bekannt, dienen. Darüber hinaus ist  die Implementierung  neuer Dialogs- und Partizipationsformen in den Mitgliedsstaaten angedacht, in deren Verantwortung es zukünftig liegen soll, auf lokaler Ebene für einen verstärkten politischen Dialog zu sorgen. Geplant ist weiterhin, dass der „Strukturierte Dialog“ zum „EU Youth Dialogue“ dahingehend so ausgebaut wird, dass Meinungen junger Menschen auf kommunaler Ebene wirksamer eingebracht werden können, eine stärkere Einbeziehung unterschiedliche On- und Offline-Formate gefördert und mehr Transparenz und Nutzung der Ergebnisse ermöglicht werden soll. Des Weiteren soll die Verbesserung und Weiterentwicklung des Instrumentes des Voneinander-Lernens durch neue Methoden und Formen angestrebt werden, u. a. durch den Einsatz von Expertengruppen zu speziellen Themen, zur Erarbeitung von  politische Empfehlungen und/oder konkreten Leitlinien; mit Hilfe einer deutlicheren Formulierung jeweiliger Mandate sowie einer verstärkten Einbindung externer Fachleute. Peer-Learning soll im Kontext der EU-Arbeitspläne in Verbindung mit gemeinsamen jugendpolitischen Prioritäten und sektorübergreifenden Schwerpunkten an Bedeutung gewinnen u. a. durch die Implementierung des neuen Formates „Peer-Counseling“. Die Transnationalen Kooperationsaktivitäten zwischen den Nationalen Agenturen sollen offizieller Teil des Voneinander-Lernens innerhalb der EU-Jugendstrategie ab 2019 werden. Die EU-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert bis Mitte 2019 nationale Aktionspläne zu erarbeiten, die inhaltlich Ziele und Maßnahmen in ausgewählten Aktionsbereichen für die nächsten drei Jahre beschreiben, sowohl in den drei ressortbezogenen Aktionsbereichen, als auch zu sektorübergreifenden Themen. Die Einführung von Aktionsplänen dient der Fokussierung und Flexibilität bei der Umsetzung europäischer Schwerpunkte innerhalb der Mitgliedstaaten. Zudem steht zukünftige die Optimierung des Rahmens für das Monitoring an, für die der Vorschlag der EU-Kommission die Bestimmung von politischen Indikatoren vorsieht, für deren Ausarbeitung eine europäische Expertengruppe einberufen werden soll. Da es in der Phase der EU-Strategie 2010-2018 nur bedingt gelungen ist die Anliegen und Interessen junger Menschen in der EU-Politik zu berücksichtigen, dieses sich aber mithilfe der erneuten EU-Jugendstrategie unbedingt ändern muss, soll ein EU-Jugendkoordinator eingeführt werden, der als Kontakt- und Referenzpunkt für alle Kommissionsdienststellen fungiert. Darüber hinaus ist es der EU-Kommission ein großes Anliegen sichtbar zu machen, in welcher Form und Intensität sich die EU für junge Menschen engagiert. Hierfür ist die Einrichtung eines Mechanismus vorgesehen, der in aller Regelmäßigkeit aufzeigt, in welcher Höhe die EU finanzielle Mittel zugunsten junger Menschen zur Verfügung stellt. Zusätzlich sollen Beteiligungsmodelle, die junge Menschen in die Politikgestaltung einbeziehen, gefördert werden. Ein großer Fortschritt ist die geplante Einrichtung einer EU-Jugendstrategie-Plattform, ein Instrument, was die verschiedenen Akteure, Ebenen und Politikfelder im Rahmen eines jährlichen Treffens miteinander verbindet und wo ein Austausch über die Zusammenarbeit stattfindet sowie laufende Prozesse und Ergebnisse diskutiert und bewertet werden.  Besonders hervorzuheben im Rahmen des EU-Kommissions-Vorschlages ist das Ziel der Herstellung einer stärkeren Verbindung zwischen der zukünftigen EU-Jugendstrategie, d. h. der EU-Jugendpolitik mit den EU-Jugendprogrammen, was in Form der Einbindung von Finanzmitteln aus den Programmen in die Nationalen Aktionspläne und der TCA-Maßnahmen in das Voneinander-Lernen sowie einer besseren Nutzung der Programmstrukturen für die Verbreitung von Ergebnissen aus der EU-Jugendstrategie umgesetzt werden soll. Damit ist eine effektivere Steuerung von Verbreitungsaktivitäten als Teil der jugendpolitischen Zusammenarbeit möglich, zugleich ist vorgesehen, die Ergebnisse und Produkte einer breiten Fachöffentlichkeit in verschiedenen Sprachen zugänglich zu machen.

Eine erste allgemeine Einschätzung des Vorschlages fällt zunächst positiv aus: Die EU-Kommission hat erkannt, dass junge Menschen die Zukunft der EU sind und legte dementsprechend den Vorschlag einer erneute EU-Jugendstrategie 2019-2027 vor, aus dem deutlich hervorgeht, dass junge Menschen zukünftig stärker unterstützen werden sollen, ihr eigenes Leben selber zu gestalten und die dafür nötigen Kompetenzen und Handlungsfähigkeit zu erwerben, dabei spielt die Förderung von Partizipation im Kontext einer aktivere Bürgerschaft hinsichtlich politischer und gesellschaftlicher Prozesse nach wie vor eine bedeutende Rolle. Der Vorschlag als Ganzes ist in sich geschlossen, setzt hinsichtlich seiner vorgestellten Themen, Ziele, Maßnahmen und Instrumente positive Zeichen und zeigt deutliche Entwicklungstendenzen. Zugleich bettet sich die EU-Jugendstrategie als Teil eines Maßnahmenpaketes, zudem u. a. die Ausrufung eines europäischen Bildungsraumes und die Einführung der Europäischen Säule sozialer Rechte zählen, in das übergeordnete politische Ziel der EU, ein soziales Europa zu schaffen, ein und befördert dieses. Damit erhält die Jugendpolitik und ihre Implementierung einer erweiterte politische Bedeutung. Der Vorschlag ist eindeutig im Handlungsfeld des Jugendbereiches und der für Jugendpolitik verantwortlichen Ministerien verortet und beinhaltet konkrete Maßnahmen zur Stärkung eines sektorenübergreifenden Vorgehens auf europäischer Ebene, was zum einen die Grundlage einer starken Ressortpolitik darstellt und zum anderen die nötige politische Impulssetzung seitens des Jugendbereiches im Sinne einer Querschnittspolitik ermöglicht. Die jugendpolitische Ausrichtung der neuen EU-Jugendstrategie mit ihren Themen Beteiligung, Begegnung und Befähigung bietet darüber hinaus eine sehr gute Basis für die Schwerpunktsetzung der Jugendstrategie der Bundesregierung, da sich diese genau an diesem Themenbereichen orientiert. Abschließend lässt sich sagen, dass der Vorschlag mit seiner positiven Tendenz ein gutes Fundament für die zukünftige jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa darstellt, wobei er noch nicht perfekt ist. Fraglich ist zum jetzigen Zeitpunkt  u. a. wie die praktische Umsetzung gelingen kann und wie der Plan für die Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland aussehen wird. Bis zur Verabschiedung der neuen EU-Jugendstrategie voraussichtlich im November 2018 bleibt den Mitgliedsstaaten Zeit an dem Entwurf zu arbeiten und diesen zu konkretisieren.
 
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