Die Privatisierung nimmt zu! Die AGJ positioniert sich zu den erforderlichen Anforderung an die hochwertige Qualifizierung für unsere Fachkräfte

In der Qualifizierungslandschaft der Kinder- und Jugendhilfe ist ein seit Jahren zunehmender Anteil an privaten Anbietern zu beobachten. Die AGJ beleuchtet in dem vorliegenden Positionspapier die spezifischen Herausforderungen der zunehmenden Privatisierung. Sie stellt die Anforderungen an eine hochwertige Qualitätssicherung und -entwicklung im Kontext der Qualifizierung der Fachkräfte für die Kinder- und Jugendhilfe heraus, die sich sowohl für den Fach- als auch Hochschulbereich stellen.

Übergreifend sowohl für den Fach- als auch den Hochschulbereich appelliert die AGJ insbesondere an die dafür zuständigen Verantwortlichen der öffentlichen Hand:

  • vor dem Hintergrund der Qualifizierung für einen zentralen Bereich des Wohlfahrtsstaates die Verantwortung für den Ausbau von Studien- und Ausbildungsplätzen und deren auskömmliche Finanzierung bundesweit wahrzunehmen sowie entsprechende Maßnahmen fortzuführen bzw. auszuweiten und nicht allein den Mechanismen an einem privat-gewerblichen Markt zu überlassen;
  • die Qualitätssicherung fachlich und personell so auszustatten, dass die Überprüfung der Umsetzung durchaus bereits umfangreich festgeschriebener Qualitätsstandards und Vorgaben sichergestellt werden kann;
  • einen ernsthaften bundesweiten Diskurs über die Auswirkungen der zunehmenden Privatisierung mit Blick auf Qualifizierungsangebote für die Kinder- und Jugendhilfe zu initiieren;
  • hierfür ein umfängliches, kontinuierliches, fächerspezifisches und an die Anforderungen einer sich rasant entwickelnden Qualifizierungslandschaft angepasstes Monitoring sicherzustellen. Ein solches systematisches Monitoring bedarf einer grundlegenden Begriffsklärung sowie eindeutigen Verwendung von Kategorien (z. B. tätigkeitsbegleitend/berufsbegleitend/praxisintegriert) und eine differenzierte Erfassung relevanter Daten u. a. zu Trägerschaft, Finanzierung sowie Rechtsstatus;
  • Darüber hinaus bedarf es mehr Qualifizierungsforschung zu folgenden Fragestellungen:
    • zu Motiven, Wegen und Biografien, sich für ein Studium an einer privaten Fach- bzw. Hochschule zu entscheiden und damit verbunden auch das Wechselverhalten von Studierenden von privaten zu staatlichen Angeboten, die Motivation für Studienmodelle, die Rolle der wirtschaftlichen Situation von Studierenden;
    • zu Leitbildern von privaten Qualifizierungsträgern, um Motivationen und Ausrichtungen der Angebote differenziert betrachten zu können;
    • zu den Auswirkungen der Schulgeldbefreiung im Fachschulbereich und den Auswirkungen der Novellierung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG);
    • zur Qualität der Lehre und der akkreditierten Ausbildungs- und Studiengänge (z. B. zum Zusammenhang von Studiengang-Curricula und erworbenen Kompetenzen, ggf. auch in einer vergleichenden Perspektive).

Eine weitgehende Transparenz zu diesen Aspekten würde dazu beitragen, sowohl Ausbildungs- und Studieninteressierten als auch Anstellungsträgern Orientierung in dieser heterogenen Qualifizierungslandschaft zu geben. Eine bewusste und fundierte Entscheidung zur Berufs- und Qualifizierungswahl seitens der Ausbildungs- und Studieninteressierten und zur Mitwirkung als kooperierende Praxiseinrichtung auf der Seite der Anstellungsträger würden hiermit begünstigt.

Ungeachtet der (zunehmenden) Heterogenität der Trägerlandschaft sowie Ausbildungs- und Studienmodelle müssen nach Ansicht der AGJ die festgeschriebenen Qualitätsstandards gewahrt und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dies umfasst die Ausgestaltung von Praktika als verpflichtendes, in die Ausbildung bzw. das Studium verbindlich integriertes Element in besonderem Maße. Daher appelliert die AGJ an die zuständigen Landesministerien:

  • zum Zwecke der Wahrung der Fachlichkeit einen bundesweiten Verständigungsprozess bezüglich der Bedeutsamkeit, der inhaltlichen Ausrichtung und Ausgestaltung der Praxisphasen zu führen. Dabei sind Fragen des Stellenwertes, der Rollen der Lernorte Fach- bzw. Hochschule sowie der jeweiligen Praxiseinrichtungen und deren zeitliche Anteile im Allgemeinen ebenso zu berücksichtigen wie die der Ausgestaltung der Praxisanleitung im Konkreten. Hierfür sind u. a. die fachlichen Standards bezüglich der Qualifikationsanforderungen an die anleitenden Fachkräfte sowie eine angemessene Ressourcenausstattung für Praxisbegleitung seitens der Fach- und Hochschulen sowie der inhaltlich-organisatorischen Rahmung der Praxisanleitung in den Einrichtungen zu prüfen und ggf. weiter zu konkretisieren.
  • Für die Anerkennung und Akkreditierung von privaten Hochschulen sowie den relevanten Studiengängen (ggf. besonders bei den Modellen mit niedrigen Präsenzanteilen) gehört dabei unbedingt und in besonderer Weise die Sicherstellung der Ermöglichung einer akademischen/wissenschaftlichen Reflexion von Praxiserfahrungen im Rahmen des hochschulgelenkten Praktikums.

Weitere für den Fach- und Hochschulbereich übergreifende Anforderungen an eine hochwertige Qualifizierung sind:

  • eine bedarfsgerechte Qualifizierung des Lehrpersonals sicherzustellen sowie hauptamtliche und disziplinnahe Lehrende einzustellen, welche gemeinsam die Breite des Faches abbilden. Um bei Personalbedarfen in den Institutionen auch flexibel reagieren zu können, bedarf es sowohl quantitativ als auch qualitativ entsprechender Strukturen der Nachwuchsqualifizierung, sowohl hinsichtlich der Lehrkräfte für Fachschulen als auch für wissenschaftliche Karrierewege an den bzw. für die Hochschulen;
  • die Generalistik in allen für die Kinder- und Jugendhilfe qualifizierenden Ausbildungs- und grundständigen Studiengängen ist zu gewährleisten. Die generalistische, d. h. handlungsfeldübergreifende grundständige Qualifikation mit systematisch-analytischen Wissensbeständen sowie breiter methodischer Befähigung stellt eine unabdingbare Basis für darauf aufbauende weiterführende spezifische Qualifizierungen dar. Dies darf nicht zu Gunsten von Spartenqualifizierungen in der Grundqualifizierung aufgegeben werden .  
  • die Wahlmöglichkeiten für Auszubildende/Studierende sicherzustellen, um über diese auch individuelle exemplarische Profilbildungen zu ermöglichen. Hierfür ist erforderlich, dass Qualifizierungsangebote eine bestimmte Mindestgröße aufweisen müssen, um die Breite des Faches anbieten und sicherstellen zu können.

Für die Fach- sowie Hochschulen stellen sich darüber hinaus jeweils auch sehr spezifische Anforderungen an eine hochwertige Qualifizierung. Diese sowie das vollständige Positionspapier können Sie hier einsehen.