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Soziale Arbeit in Bachelor-/Master-Studiengängen: Kompetenzen von Fachkräften – Erwartungen von Anstellungsträgern

Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Diskussionspapier als PDF


Vorbemerkung[1]

Mit der Lissabon-Erklärung von 2000 hat der Ministerrat der EU wirtschafts- und sozialpolitische Ziele für die Weiterentwicklung der Europäischen Union festgelegt. Damit verknüpft sind auch bildungspolitische Zielsetzungen, nämlich die Entwicklung eines europäischen Bildungsraums und die Realisierung des Prinzips des lebenslangen Lernens. Nun liegt die Bologna-Erklärung von 1999 für den Hochschulraum zeitlich vor der Lissabon-Deklaration. Nichtsdestotrotz sind aber beide in den Zielsetzungen kongruent. Die bildungspolitischen Anstrengungen der Mitgliedsländer sollen sich an den Zielen Mobilität, Transparenz, Vergleichbarkeit, Flexibilität und gegenseitige Anerkennung ausrichten. Als Instrument für diese Zielsetzung dient der Europäische Qualifikationsrahmen, den die Länder in Nationale Qualifikationsrahmen umsetzen sollen, die alle Bildungsformen und -strukturen einbeziehen.

Am weitesten fortgeschritten ist in der Bundesrepublik Deutschland die Entwicklung des Qualifikationsrahmens für den Hochschulbereich. So haben Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Kultusminister-konferenz (KMK) zahlreiche Beschlüsse zur Umsetzung der Bologna-Reform gefasst und den Deutschen Qualifikationsrahmen für die Hochschulen  entwickelt. Der Deutsche Qualifikationsrahmen für andere Ausbildungsstufen wird zurzeit erarbeitet.

Auf diesem Hintergrund und unter Beachtung der jeweiligen zeitlichen Verortung der betrachteten Positionen sind die folgenden Aus-führungen einzuordnen. In die Betrachtung wurden folgende Fachgesellschaften einbezogen:

  • Fachbereichstag Soziale Arbeit (FBTS) – Kerncurriculum Soziale Arbeit 2000 und Nationaler Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit 2006
  • Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV): Positionspapier des Deutschen Vereins zu Perspektiven der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern 2007
  • Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE): Empfehlungen für ein Kerncurriculum Erziehungswissenschaften 2001 und Kerncurriculum für das Hauptfachstudium Erziehungs-wissenschaften 2004
  • Erziehungswissenschaftlicher Fakultätentag (EWFT): Struktur-notwendigkeiten für die Erziehungswissenschaft in konsekutiven Hauptfachstudiengängen – Empfehlungen 2005.

Zusätzlich wurden die entsprechenden Veröffentlichungen des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) herangezogen, die sich zu dieser Frage positioniert haben.[2] 


1. Kurzcharakteristik des Bologna-Prozesses und der Folgen für die Soziale Arbeit

Wer versucht, die Situation und die möglichen Perspektiven der Sozialen Arbeit in der B.A.-/M.A.-Struktur und damit auch die Verankerung der Kinder- und Jugendhilfe in diesem Prozess zu beschreiben, begibt sich unweigerlich in ein kaum zu durchdringendes Dickicht unterschiedlicher Strukturen, verschiedenster modularisierter Inhalte und mannigfacher Abschlussbezeichnungen – eine Situation, die Ausdruck einer erheblichen Unübersichtlichkeit der Sozialen Arbeit in konsekutiven Studiengängen ist [3].

Aktuell ist die Soziale Arbeit mindestens in zehn verschiedenen Formen in die B.A.-/M.A.-Struktur integriert, wobei innerhalb dieser Formen die Kinder- und Jugendhilfe hochschulspezifisch einen jeweils unterschiedlichen Stellenwert einnimmt:[4]

  1. Umfassend vertreten ist die Soziale Arbeit in B.A.-Studiengängen Soziale Arbeit an den Fachhochschulen, die die bisherigen Diplomstudiengänge der Sozialen Arbeit an Fachhochschulen ablösten und dabei unter anderem vor der Herausforderung stehen, die Praxisanteile von bis zu einem Jahr in die modularisierte Struktur integrieren zu müssen. Dies führt zurzeit dazu, dass es B.A.-Studiengänge Soziale Arbeit  an Fachhoch-schulen mit unterschiedlicher Dauer – sechs Semester bzw. sieben Semester – gibt. 
  2. M.A.-Studiengänge der Sozialen Arbeit an Fachhochschulen qualifizieren für ein spezifisches Handlungsfeld der Sozialen Arbeit – zum Beispiel ein M.A. Kinder- und Jugendhilfe – oder konzen-trieren sich auf die Vermittlung besonderer Methoden bzw. Kompetenzen, wie zum Beispiel bei dem eher häufig vorzufindenden M.A. Sozialmanagement oder einem M.A. Supervision. Teilweise werden diese Studiengänge als kostenpflichtige weiterbildende Studiengänge angeboten. Das Lehrangebot ist an einigen Standorten zudem so organisiert, dass es berufs-begleitend absolviert werden kann. 
  3. Soziale Arbeit ist außerdem als eine mögliche Spezialisierung in universitären B.A.-Studiengängen der Erziehungswissenschaft integriert, wodurch eine aufgrund des geringen Anteils teilweise fragwürdige Berufsqualifizierung dieser Studiengänge gewähr-leistet werden soll, und stellt
  4. analog zu der Studienrichtung Sozialpädagogik des alten Diplomstudiengangs Erziehungswissenschaft einen Schwerpunkt-bereich in den universitären erziehungswissenschaftlichen Master-studiengängen Erziehungswissenschaft dar. 
  5. Zudem existieren an einigen Universitäten grundständige B.A.-Studiengänge Soziale Arbeit und
  6. darauf aufbauend ebenso grundständige Masterstudiengänge Soziale Arbeit.
  7. Außerdem sind Module der Sozialpädagogik Bestandteil von erziehungswissenschaftlichen 2-Fach-B.A.-Studiengängen, mit der
  8. nordrhein-westfälischen Besonderheit des Unterrichtsfaches Pädagogik, womit die Sozialpädagogik Teil der konsekutiven Lehrerbildung ist, was 
  9. auch für das Lehramt Sozialpädagogik in modularisierten Studiengängen SEK II im Kontext der Lehrerbildung für die Fachschulen Soziale Arbeit gilt.
  10. Schließlich werden Module mit sozialpädagogischen Inhalten in nicht-erziehungswissenschaftlichen Studiengängen angeboten, wie beispielsweise in B.A.-/M.A.-Studiengängen Gesundheits-wissenschaften oder als Zusatzfach in Studiengängen der Soziologie, der Kriminologie und Psychologie.    

Diese Auflistung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit – so ergeben sich weitere Differenzierungen hinsichtlich der Unterscheidung von Haupt- und Nebenfächern und einzelner geplanter kooperativer Studiengänge von Fachhochschulen und Universitäten. Sie soll aber deutlich machen, dass die je spezifische Verankerung der Sozialen Arbeit in B.A.-/M.A.-Studiengängen einerseits Ausdruck einer wachsenden Gefahr der Zersplitterung und Diffundierung der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplin Sozial-pädagogik ist und andererseits die Abschlussbezeichnung ‚Soziale Arbeit’ noch nichts über den Umfang der entsprechend vermittelten Inhalte aussagt.


2. Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Spezialisierung

Ähnlich vielfältig wie die Strukturen sind zum Teil auch die Inhalte der neuen Studiengänge. Dies ist zum einen auf standortspezifische Traditionen und Profile zurückzuführen, hängt zum anderen aber auch damit zusammen, dass der Aufbau sozialpädagogischer Inhalte in modularisierter Form teilweise unkoordiniert und nur auf den jeweiligen Standort bezogen sowie unter dem Druck mangelhafter Kapazitäten stattfindet. Strukturelle und inhaltliche Orientierungs-rahmen existieren zwar sowohl auf Seiten des Fachbereichstages der Fachhochschulen als auch durch die Kommission Sozialpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE); diese haben bislang aber keine Verbindlichkeit in dem Maße erreichen können, wie dies für die bisherigen Studiengänge die entsprechenden Rahmenprüfungsordnungen darstellten. 

Der Fachbereichstag der Fachhochschulen hat bereits Ende 2003 

20 Module im Umfang von je fünf Credits verabschiedet, mit denen die zentralen Inhalte der B.A.-Studiengänge umrissen werden sollen. Hierzu gehören unter anderem Forschungsmethoden der Sozialen Arbeit, Geschichte und Theorien der Sozialen Arbeit, Berufsethik und professionelles Handeln, rechtliche, ökonomische und sozialpolitische Grundlagen, ein Modul Erziehung, Bildung und Sozialisation sowie eines zu Integration und Interkulturalität. Inwieweit sich diese Inhalte tatsächlich in den B.A.-Studiengängen der Fachhochschulen widerspiegeln, muss offen bleiben, da es zum einen vergleichende und zusammenfassende Informationen hierzu kaum gibt und zum anderen zurzeit nicht nachvollzogen werden kann, ob die Verbindlichkeit der Empfehlungen ausschließlich für B.A.-Studiengänge Soziale Arbeit eingefordert wird oder auch für solche Studiengänge, die auf einzelne Handlungsfelder der Sozialen Arbeit oder spezifische Methodenkenntnisse vorbereiten.   

Das Kerncurriculum Erziehungswissenschaft der DGfE umfasst für B.A.-Studiengänge sowie konsekutive und nicht-konsekutive M.A.-Studiengänge mit einem Schwerpunktbereich Sozialpädagogik neben den Praktika (zwei im B.A.- und eins im M.A.-Studiengang) und den beiden Abschlussarbeiten insgesamt neun Studieneinheiten, die nicht als Module, sondern als Inhaltsbereiche zu verstehen sind. Diese decken bei Weitem nicht das ganze Studium ab, klären somit zum einen den verbindlichen universitätsübergreifenden Kern und lassen zum anderen genügend Spielraum für universitätsspezifische Schwerpunktsetzungen.   

 

Die Studieneinheiten in konsekutiven Studiengängen sind:

B.A.-Studiengang: 
1. Grundlagen der Erziehungswissenschaft
2  Gesellschaftliche, politische und rechtliche Bedingungen von Bildung, Ausbildung und Erziehung in schulischen und nicht-schulischen Einrichtungen unter Einschluss internationaler Aspekte
3. Einführung in erziehungswissenschaftliche Studienrichtungen
4. Theoretische und historische Grundlagen der Sozialpädagogik
5. Arbeitsfelder und Handlungskompetenzen der Sozialpä-dagogik – Grundlagen

 

M.A.-Studiengang:
6. Bildungsforschung und forschungsmethodische Grundlagen
7. Theorie, Forschung und Rahmenbedingungen der Sozialpä-dagogik
8. Professionelle Handlungskompetenzen der Sozialpädagogik – Vertiefung
9. Lehrforschungsprojekt.

 

Die Studieneinheiten in nicht-konsekutiven M.A.-Studiengängen sind mit anderer Gewichtung dieselben wie die in den B.A.-Studiengängen und den konsekutiven M.A.-Studiengängen. Deutlich wird einerseits eine starke Forschungsorientierung in den Masterstudiengängen, die ja auch die Funktion haben, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu rekrutieren. Andererseits gilt auch hier, dass die standortspezifischen Schwerpunktbildungen bzw. der standortspezifische Umgang mit Kapazitätsengpässen zu Einzellösungen führen, die eine Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse, die wechselseitige Anerkennung von Studiengangselementen und den problemlosen Wechsel von einem zum anderen Hochschulstandort zumindest unwahr-scheinlich werden lassen. 

Inwieweit die Kinder- und Jugendhilfe in den universitären Studiengängen und in denen der Fachhochschulen verankert ist, ist abhängig von standortspezifischen Traditionen und letztendlich nur aus den Modulhandbüchern bzw. den Diploma Supplements ersichtlich. Außerdem gilt auch für die universitären Studiengänge, dass sie ein breites Spektrum von Inhalten zwischen Generalisierung und Spezialisierung abbilden, wobei Spezialisierungen zum einen ein konstitutives Merkmal von Wahlmöglichkeiten innerhalb eines Studiengangs sind, zum anderen aber auch Ausdruck einer grundlegend spezialisierten Ausrichtung des gesamten Studiengangs sein können. Abzuwarten bleibt sowohl für die universitären als auch die fachhochschulischen Studiengänge, ob die von den jeweiligen Fachorganisationen angestrebten standortübergreifenden Kernele-mente Prüfkriterien bei den anstehenden  (Re-)Akkreditierungs-verfahren sind, wodurch bei aller Spezialisierung ein generalisierbarer Kern erhalten bleiben könnte. Angesichts der Tatsache, dass es den Hochschulen überlassen ist, ihre Curricula zu entwickeln und davon auszugehen ist, dass die Studiengänge unterschiedliche Profile aufweisen und eine weitere Differenzierung in den gleichen Studienrichtungen zu erwarten ist, ist die Forderung zu stellen, dass die Entwicklung von spezialisierten Studienangeboten der Sozialen Arbeit nicht so weit voranschreitet, dass die Soziale Arbeit ihren Anspruch eines generalistischen Studiengangs aufgibt.

 

3. Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Anerkennung 

Reglementierung des Berufszugangs im sozialen Bereich

Generell betrachtet dient die Berufsreglementierung der Sicherung der fachlichen Qualität, der Transparenz von Dienstleistungen und dem Schutz der Dienstleistungsnehmerinnen und -dienstleistungsnehmer. Der Staat hat zu diesem Zweck die Möglichkeit, die Ausbildung zu regeln, den Berufszugang und/oder die Leistung an sich. Sollen z. B. mit der Ausübung eines Berufs hoheitliche Aufgaben übernommen werden oder ist die Ausübung des Berufs auf den unmittelbaren Kontakt zu Personengruppen gerichtet, die als besonders schutzwürdig anzusehen sind, werden Ausbildung und Zugang zum Beruf in der Regel gesetzlich geregelt. Dies traf bisher auf die Berufsgruppe der Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpä-dagoginnen/Sozialpädagogen zu. Hier hat der Staat mit der von Kultusministerkonferenz (KMK) und Hochschulrektoren-konferenz (HRK) beschlossenen Rahmenordnung für die Diplomprüfung im Studiengang „Soziale Arbeit“ sowohl die Ausbildung geregelt als auch durch zusätzliche berufsrechtliche Regelungen zur Erteilung der „staatlichen Anerkennung“ den Berufszugang in der Regel landesgesetzlich reglementiert. 

Die Reglementierung des Berufs in Deutschland hat auch Auswirkungen auf die gegenseitige Anerkennung von Berufs-abschlüssen und die Gewährleistung des freien Zugangs zum Beruf im Rahmen der Europäischen Union. Unter Anwendung der EU-Richtlinie 2005/36/EG ist die in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikation zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob diese der in Deutschland geforderten Qualifikation entspricht. Werden im Rahmen des Anerkennungsverfahrens wesentliche Unterschiede festgestellt, muss der Aufnahmestaat, der den Beruf reglementiert, Ausgleichsmaßnahmen anbieten, damit Ausländerinnen und Ausländer zu gleichen Bedingungen wie Inländerinnen und Inländer beruflich tätig werden können. Die Reglementierung des Berufs trägt damit auch im Rahmen der EU dazu bei, dass der freie Zugang zu den Berufen an bestimmte Qualitätsmerkmale gebunden ist.

Bisheriges Verfahren 

Bisher haben Personen eine „staatliche Anerkennung“ und damit Zugang zum Beruf erhalten, wenn sie  

  • persönlich geeignet waren, 
  • eine fachhochschulische Ausbildung zum Diplom-Sozial-arbeiter/Sozialpädagogen gemäß der Rahmenordnung für die Diplomprüfung im Studiengang „Soziale Arbeit“ erfolgreich abgeschlossen hatten und 
  • entweder zwei in die Ausbildung integrierte Praxissemester oder ein einjähriges Berufspraktikum erfolgreich absolviert hatten. 

Relevanz der Reglementierung des Berufszugangs für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe 

Ziel der Reglementierung des Berufszugangs ist es, die fachliche Qualität der Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu sichern, für die die Berufsqualifikation des Personals eine wichtige Variable ist. Die staatliche Anerkennung eines Berufs gilt als tradierter Ausdruck für fachliche Eignung und Professionalität. Als „Gütesiegel“ gibt sie den Anstellungsträgern die formale Sicherheit, dass die für die Ausübung des Berufs erforderliche Qualifikation erfolgreich erworben worden ist. Personen, die über eine reglementierte Berufsqualifikation verfügen, gelten in der Regel als Fachkräfte. 

Wenngleich der Steuerungseffekt der staatlichen Anerkennung im Einzelfall als eher gering einzuschätzen ist, gewinnt dieser an Bedeutung, wenn die Frage zu beantworten ist, ob eine Einrichtung oder eine Dienstleistung den grundlegenden Anforderungen, z. B. im Erlaubnisverfahren nach § 45 SGB VIII, genügt. Darüber hinaus dient die Reglementierung des Berufs der Klärung von Eingruppie-rungsfragen und wird bei tariflichen Regelungen berücksichtigt. Von Bedeutung ist sie auch für beamtenrechtliche Festlegungen im öffentlichen Dienst, sofern entsprechende Fachlaufbahnen bestehen.  

Hochschul- und Studienreform

Mit der Einführung des gestuften Studiensystems mit Bachelor- und Masterabschlüssen sind gegenüber dem bisherigen System erhebliche strukturelle Veränderungen verbunden: Die Rahmen-ordnung für die Diplomprüfung im Studiengang „Soziale Arbeit“ verliert ihre Gültigkeit; andere inhaltliche Vorgaben seitens der KMK und der HRK gibt es nicht. Die Verantwortung für die strukturelle und inhaltliche Umgestaltung der Studiengänge liegt allein bei den Hochschulen; sie entscheiden sowohl über die Regelstudienzeit, die für den Bachelorabschluss gemäß § 19 Hochschulrahmengesetz zwischen drei und vier Jahren variieren kann, als auch über die inhaltliche Ausgestaltung der Module und die Schwerpunktsetzungen im Rahmen ihrer Profilbildungen. Die Prüfung der Qualität der Studiengänge liegt jetzt bei den Akkreditierungsagenturen, die dafür standardisierte Verfahren entwickelt haben. 

Als Folge ist mit einem breiten Spektrum an Studienabschlüssen im Sozialbereich zu rechnen, die sich sowohl in ihrer inhaltlichen Ausrichtung und ihrem Praxisanteil als auch im Hinblick auf ihre Regelstudienzeit unterscheiden werden. So wird es neben generalistisch, das heißt breit angelegten Studiengängen der Sozialen Arbeit, entsprechend den bisherigen Diplomstudiengängen auch spezialisierte Bachelorstudiengänge geben; letztere insbesondere im Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung.[5] Auch die Dauer der Studiengänge ist unterschiedlich angelegt; sie liegt zwischen sechs und sieben Semestern, was einer Verkürzung der bisherigen Regelstudienzeit um ein bis zwei Semester entspricht und Auswirkungen auf den Umfang der Praxisanteile in der Ausbildung hat. 

Da unter diesen Bedingungen, insbesondere weil der zentrale Bezugspunkt zu einer Rahmenordnung für das Studium künftig nicht mehr besteht, sich das bisherige Verfahren der staatlichen Anerkennung nicht fortsetzen lässt, bedarf es der Entscheidung, ob an einer Reglementierung weiter festgehalten werden soll und wenn ja, unter welchen Bedingungen.

Stellungnahmen zur Beibehaltung der Reglementierung im Kontext der Hochschul- und Studienreform

Vor diesem Hintergrund haben sich unter anderen die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK), der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) sowie der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) mit der Frage der staatlichen Anerkennung und ihrer Bedeutung befasst. Wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven, plädieren sie in ihren Stellungnahmen und Beschlüssen für die Beibehaltung der staatlichen Anerkennung als Regle-mentierung des Berufszuganges der Absolventinnen und Absolventen der Bachelorstudiengänge Soziale Arbeit. 

JFMK

Die JFMK hat sich 2008[6] – nach entsprechenden Beschlüssen 2005 und 2006 – für die Beibehaltung der Reglementierung des Berufszugangs in Form einer staatlichen Anerkennung ausge-sprochen. Dabei soll das Verfahren zur Erteilung der staatlichen Anerkennung künftig  mit dem Verfahren zur Akkreditierung der entsprechenden Studiengänge verknüpft werden. In einem Zusatz-verfahren soll geprüft werden, ob der Studiengang die qualitativen Voraussetzungen erfüllt, den Anforderungen des Berufs zu entsprechen. Grundlage für die Prüfung soll der Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit des Fachbereichstages Soziale Arbeit vom 31. Mai 2006 sein. 

Zu dem Katalog fachlicher Mindeststandards gehören ein Bachelorabschluss Soziale Arbeit mit ausgewiesenen Kenntnissen der relevanten deutschen Rechtsgebiete sowie Verwaltungs-kompetenz und die Ableistung einer angeleiteten Praxistätigkeit im Umfang von mindestens 100 Tagen in von der zuständigen Behörde anerkannten, fachlich ausgewiesenen Einrichtungen der Sozialen Arbeit. Die JFMK fordert in diesem Zusammenhang die Hochschulen und Akkreditierungsagenturen auf, sowohl bei den Akkreditierungs-verfahren als auch bei den Verfahren zur staatlichen Anerkennung Expertinnen und Experten der Fachpraxis einzubeziehen, die von den Obersten Landesjugendbehörden entweder selbst benannt wurden oder deren Benennung von diesen unterstützt wird. Es wird davon ausgegangen, dass mit der Beibehaltung der staatlichen Anerkennung an den bisherigen tarif- und laufbahnrechtlichen Regelungen angeknüpft wird. Im Unterschied zur bisherigen Regelung soll sich das neue Verfahren ausschließlich auf die Qualität der Ausbildung beziehen. Die Verantwortung für die Prüfung der persönlichen Eignung soll danach an die Anstellungsträger delegiert werden. 

Diesem Verfahrensvorschlag haben sich die anderen Fach-ministerkonferenzen inzwischen angeschlossen. Unter der grund-sätzlichen Feststellung, dass es sich bei der Entscheidung über die Akkreditierung im Sinne des Stiftungsgesetzes und der Feststellung der berufsrechtlichen Eignung eines Studiengangs unter Beteiligung Dritter am Akkreditierungsverfahren um rechtlich getrennte Entschei-dungen handelt, hat die KMK den Akkreditierungsrat über die Beschlussfassung informiert und darum gebeten, der Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen die für die Durchführung der berufszulassungsrechtlichen Anerkennungsverfahren zuständigen Stellen zu benennen, da sich die Entscheidung über die berufs-rechtliche Eignung nach den Vorschriften der Länder richtet. 

Deutscher Verein

Der DV hat sich bereits 2003/2004 zur Notwendigkeit der Entwicklung von Qualitätsstandards für die neuen Studienabschlüsse ausgesprochen und sich zuletzt 2008[7] zur Frage der staatlichen Anerkennung und in diesem Zusammenhang zur Bedeutung der fachspezifischen berufspraktischen Tätigkeit positioniert; gefordert wird ein halbjähriges Berufspraktikum, das den Erwerb ausgewiesener Kenntnisse der relevanten deutschen Rechtsgebiete und Verwaltungsstrukturen ebenso ermöglichen soll, wie eine professio-nelle Sozialisation. Die Bedeutung dieses Praxisanteils sollte sich im Akkreditierungsverfahren wiederfinden und sich von in das Studium integrierten Praxisanteilen unterscheiden. Ferner sieht der DV die staatliche Anerkennung weiterhin als eine staatliche Aufgabe an, die nicht an die Akkreditierung der Studiengänge zu knüpfen ist. 

DBSH

Der DBSH hat in einem Grundsatzpapier 2006[8] die Festlegung der Regelstudienzeit für Bachelorstudiengänge der Sozialen Arbeit auf sieben Semester (davon ein Praxissemester) gefordert.  Darüber hinaus setzt er sich für den Erhalt der staatlichen Anerkennung als einen eigenen Qualifikationsbereich ein. Vergleichbar mit dem Referendariat bei Lehramtsstudiengängen sollte dieser in einer mindestens einjährigen Praxis bestehen, die während und/oder nach dem Studium abgeleistet werden kann. Der DBSH fordert dafür bundesweit geltende Standards unter anderem im Hinblick auf Durchführung, Anleitung und Abschluss. Landesgesetzlich sollte die Teilnahme der für die Erteilung der staatlichen Anerkennung zuständigen Stelle an der Prüfung geregelt werden. Nach Ansicht des DBSH muss die staatliche Anerkennung auch eine berufsrechtliche Funktion, wie den Schutz der Berufsbezeichnung, übernehmen. Der DBSH fordert, dass Abschlüsse mit einer staatlichen Anerkennung unmittelbar in den Tarif EG 10 des TVöD eingruppiert werden. 

Die Frage der Umsetzung der staatlichen Anerkennung von B.A.-Studiengängen Soziale Arbeit ist insgesamt noch nicht abschließend geklärt. Völlig offen ist zudem, wie mit universitären B.A.-Studiengängen Soziale Arbeit, die vergleichbare Inhalte und Kompetenzen wie die fachhochschulischen Studiengänge vermitteln, verfahren werden soll. Zu begrüßen wäre, wenn auch in diesen Fällen von einer staatlichen Anerkennung ausgegangen werden kann, um in Zukunft nicht BA-Abschlüsse Soziale Arbeit mit und ohne staatliche Anerkennung zu haben.  


4. Strukturvorgaben verschiedener Fachgesellschaften zum Bologna-Prozess bzw. zum Europäischen und/oder Nationalen Qualifikationsrahmen

Der Nationale Qualifikationsrahmen für die Hochschulen

Der FBST hat einen Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (QR SArb) im Jahr 2006 für die Bachelor- und Masterebene verabschiedet. Die dritte Ebene, die der Qualifikationsrahmen für das Promotionsstudium vorsieht, so wie es die Vorgaben der Hochschulrektorenkonferenz vorsehen, wurde nicht konzipiert. Das ist der Aufgabenstellung und dem Profil der Fachhochschule geschuldet, die bekanntermaßen kein Promotionsrecht hat. Ausgangspunkt sind die Arbeitsaufgaben, „deren Bearbeitung/Lösung durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit erfolgen kann/soll/muss.“ (FBTS, 2006, S.5) Basis für den QR SArb ist der generalistische Ansatz des Studiums der Sozialen Arbeit. Der QR SArb beschreibt für die Kategorien

  • Wissen und Verstehen/Verständnis
  • Beschreibung, Analyse und Bewertung
  • Planung und Konzeption von Sozialer Arbeit
  • Recherche und Forschung in der Sozialen Arbeit
  • Organisation, Durchführung und Evaluation in der Sozialen Arbeit
  • Professionelle allgemeine Fähigkeiten und Haltung in der Sozialen Arbeit und
  • Persönlichkeit und Haltungen,

welches Wissen und welche Fähigkeiten eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter mit welcher ethischen Grundlage haben muss und wie sie oder er sich dazu verhält, um die Aufgaben in der Praxis erledigen zu können. Der Aspekt der Reflexion ist darin enthalten. 

EWFT und DGfE haben je ein Kerncurriculum für das erziehungswissenschaftliche Studium an wissenschaftlichen Hoch-schulen konzipiert. So beschreiben die vom EWFT 2005 beschlosse-nen „Strukturnotwendigkeiten für die Erziehungswissenschaften in konsekutiven Hauptfachstudiengängen – Empfehlungen“ die Bereiche

  • Wissen und Verstehen; Wissensverbreiterung und Wissensvertiefung
  • Können; instrumentale Kompetenz und systemische und kommunikative Kompetenz
  • Formalia; Zugangsvoraussetzungen, Dauer, Anschlussmöglich-keiten und Übergänge aus der beruflichen Bildung 

und folgen somit der Systematik der Vorgaben durch die HRK und KMK. Sowohl EWFT als DGfE haben als Ausgangspunkt die Fachperspektive der Erziehungswissenschaften (EWFT 2005, S.2 und DGfE S.2), sind also input-orientiert. Dagegen ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des FBTS outcome-orientiert, so wie es die Logik des Nationalen Qualifikationsrahmens erfordert.

Das Positionspapier des Deutschen Vereins zum Deutschen Qualifikationsrahmen aus dem Jahr 2008 ist eine allgemeine Positionierung, geht aber nicht näher auf Anforderungen gemäß der Kategorien des Qualifikationsrahmens für die Hochschulen ein. Allgemein kann gesagt werden, dass die Stufung der Bildungsabschlüsse im Hochschulbereich von niemanden in Frage gestellt werden. 

Employability

Die Überlegungen führen zu einem Kernpunkt der neuen Strukturvorgaben, der employability. Diese ist für den ersten Abschluss, also in der Regel für den Bachelor an den Hochschulen, Leitziel für die Entwicklung der entsprechenden Curricula. Es ist gefordert, Kenntnisse, Fertigkeiten und Haltungen (die Kategorien kommen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und folgen dem internationalen Sprachduktus von knowledge, skills and attitudes) zu bestimmen. Curricula sollen also outcome-orientiert ausgerichtet sein. Die Messlatte outcome ist auch auf die Masterebene anzulegen, denn auch hier wird ja qualifiziert für Positionen in Praxis und Wissenschaft. Wie bereits oben angesprochen, geht der QR SArb explizit von employability aus; EWFT und DGfE stellen dagegen die wissenschaftliche, disziplinäre  Perspektive in den Vordergrund und benennen dabei den gemeinsamen Kern aller Studiengänge und deren zwingend erforderliche strukturelle Rahmenbedingungen; die Outcome-Orientierung erfolgt hier in den Modulbeschreibungen der einzelnen Hochschulen, die schließlich in Akkreditierungsverfahren überprüft wird. Die GEW verwendet die Kategorie employability nicht. Es kann aber durchaus davon ausgegangen werden, dass für die GEW als Gewerkschaft bei den Gedanken zur Akademisierung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern die Anforderungen des Berufs – also employability – entscheidend sind. Die Forderung nach Akademisierung speist sich aus den gestiegenen Anforderungen der Arbeit der Erzieherinnen.

Der DBSH unternimmt den lobenswerten Versuch der Beschreibung von Schlüsselkompetenzen für alle Akteure: Die Beschreibung der Schlüsselkompetenzen soll als Orientierung für die Studien- und Berufswahlentscheidung dienen; sie sollen den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Informationen über die Qualifikation ihrer Bewerberinnen und Bewerber geben und den Hochschulen Hilfestellung bei der Entwicklung der Curricula bieten. Insofern nimmt dieser Versuch eine Sonderstellung ein; jedoch ist auch beim DBSH als Berufsverband employability zentrales Merkmal und Ausgangspunkt der Überlegungen.

Ausbildungsinhalte

Der Grad der Detaillierung der Ausbildungsinhalte ist unterschiedlich groß. Er bewegt sich zwischen der Meinung, 

  • es sei Aufgabe der Hochschulen, die Inhalte der Curricula zu entwickeln, über
  • eher allgemeinere Beschreibungen bis zu
  • der ausführlichen Beschreibung der Inhalte durch DBSH, DGfE und EWFT.

Modularisierung

Curricula, die der Logik der Stufung und dem Leitgedanken „employability“ folgen, fordern gemäß der Vorgaben die Umsetzung durch Modularisierung. Module sollen sich nicht an Fachlogiken ausrichten, sondern themenübergreifend Studienelemente anbieten, die in sich geschlossen Qualifikationen vermitteln. Modulbe-schreibungen sollen outcome definieren, die dazu gehörigen Inhalte, den damit verbundenen workload für die Studierenden, die Prüfungsmodalitäten und -anforderungen, die didaktischen Methoden und die vergebenen Leistungspunkte umfassen. Während der QR SArb dazu keine Hinweise enthält, sind die Ausführungen des EWFT dazu ausführlich. Das trifft auch für das Kerncurriculum der DGfE zu. In gewisser Weise können auch die Schlüsselkompetenzen des DBSH so gelesen werden. 

Die DGfE hat in ihrem Kerncurriculum Module entwickelt und der EWFT bezieht sich darauf, nennt diese aber Lehrveranstaltungen mit inhaltlichen Vorgaben wie der Anzahl der Semesterwochenstunden und der mit der Einheit zu vergebenen Leistungspunkte, Zugangsvoraussetzungen und der Anerkennung von Vorleistungen. 

Workload

Jedoch umfassen Module mehr als allein den input und outcome; sondern definieren auch  den workload für die Studierenden nach den Vorgaben von HRK und KMK. Der workload umfasst den gesamten Arbeitsaufwand, den Studierende für ein Modul aufzuwenden haben. Sie schließt auch die Prüfungen ein und setzt sich zusammen aus Präsenszeit (Semesterwochenstunden und/oder Tutoring), Eigen-arbeit und Prüfungszeit. Nähere Angaben dazu finden sich bei EWFT und DGfE. Der QR SArb setzt diese einfach voraus, da ja die entsprechenden Beschlüsse von HRK und KMK vorliegen. 

Leistungspunkte nach ECTS

Das Instrument für die Bemessung sind die Leistungspunkte nach ECTS. Hierfür hat sich im deutschen Hochschulwesen und in großen Teilen des europäischen Hochschulraumes das „European Credit Transfer and Accumulation System“ ECTS durchgesetzt: 1 Leistungspunkt umfasst in der Regel 30 Arbeitsstunden. Jedes Semester ist auf 30 Punkte ausgelegt; somit werden den Studierenden 900 Arbeitsstunden pro Semester abverlangt. Das hat zur Konsequenz, dass „Semesterferien“ also Urlaub sich auf echte sechs Wochen im Jahr reduzieren. Diese „Verdichtung“ hat Auswirkungen auf die Lehre, die nun gefordert ist, Module so zu organisieren, dass Studierende auch das definierte Arbeitspensum erbringen können. Diese Verdichtung führt aber auch dazu, dass die Studierenden in Zukunft keine Möglichkeit mehr haben werden, studienbegleitend Praxiserfahrungen sammeln zu können.

Lernort Praxis

Jedoch gibt es nicht nur neue Herausforderungen für die Hochschuldidaktik, sondern es bieten sich neue Möglichkeiten der Einbeziehung des Lernortes Praxis. Unstrittig ist bei allen Akteuren, dass Praxis in Ausbildung und Studium seinen gebührenden Platz hat. Jedoch beschränkt sich die Diskussion weitgehend auf die Einbeziehung und Ausgestaltung eines Praxissemesters. Dazu finden sich entweder keine Aussagen bzw. allgemeine Forderungen in den Beschlüssen bzw. Papieren.

Anknüpfend an die geforderte Eigenarbeit durch workload und ECTS ist aber auch die Einbeziehung praktischer Elemente in einzelne Module denkbar, wenn nicht sogar didaktisch sinnvoll. Es bieten sich also über die „normale“ Verankerung der Praxis mit theoriegeleiteten praktischen Studiensemestern oder aber Praktika von vier oder sechs Wochen innovative Möglichkeiten der Einbeziehung der Praxis. Allerdings warnt die DGfE ausdrücklich vor einer Verwischung der Differenz von Theorie und Praxis.

Zugänge und Anerkennung von erbrachten Leistungen

Differenzieren sich Studiengänge der Soziale Arbeit und der Erziehungswissenschaft weiter aus und schreitet die Akademisierung für Erzieherinnen und Erzieher voran, stellt sich die Frage nach Zugängen und Anerkennung von erbrachten Leistungen. Regelzugang für das Studium wird weiterhin die allgemeine, fachgebundene Hochschulreife und Fachhochschulreife sein. Zwecks Verbesserung der Durchlässigkeit im Bildungssystem soll aber der Hochschulraum für qualifizierte Berufstätige weiter geöffnet werden. Dies wird im Kerncurriculum der DGfE auch formuliert. Andere detaillierte Aussagen liegen nicht vor. Ebenso äußert sich der EWFT zur Anrechnung; die anderen nicht. Hier ergibt sich die zusätzliche Schwierigkeit, dass es für die berufliche Ausbildung noch keine vergleichbare Strukturierung gibt. Es fehlt auch noch ein Punktesystem. Bis der Deutsche Qualifikationsrahmen für die berufliche Bildung kommt, behilft man sich mit formalen Kriterien (Berufsabschluss, Noten, Dauer der Berufstätigkeit). Außerdem sind pauschalierte Verfahren zur Anerkennung auf Studienleistungen in der Diskussion (z. B. Bayern: 90 ECTS für Erzieherinnen und Erzieher anrechenbar auf das Studium der Sozialen Arbeit).

Diploma Supplements

Die neue Unübersichtlichkeit schafft Unsicherheit und Intransparenz. Ein neues Instrument, dass Transparenz sicherstellen soll, ist das Diploma Supplement. Mit der Abschlussurkunde wird ein sehr ausführliches „Zeugnis“ – Diploma Supplement (DS) – erstellt. Es ist wesentlich detaillierter als das herkömmliche Zeugnis. Hier kommt den Hochschulen eine besondere Verantwortung zu, die das Diploma Supplement so ausstellen müssen, dass für potentielle Anstellungsträger die im Studium vermittelten Inhalte problemlos nachvollzogen werden können.  


5. Konsequenzen: Erwartungen von und an Anstellungsträger(n)

Zur Berufseinmündung von Bachelor- und Master-Absolventen/-innen liegen bislang noch keine breiten Erfahrungen oder empirischen Auswertungen vor, sind doch noch zu wenige von ihnen auf dem Arbeitsmarkt angelangt. Nachdem inzwischen jedoch die Umstellung der meisten Studiengänge erfolgt ist, werden Bachelor- und Masterabschlüsse in naher Zukunft die üblichen Qualifikationen sein, die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger mit ihren Bewerbungen vorlegen. Während Personalvorstände führender Unternehmen in Deutschland bereits mehrfach in „Bachelor Welcome“-Erklärungen[9] den Bachelor- und Masterabsolventinnen und -absolventen attraktive Tätigkeitsfelder und Entwicklungsperspektiven in ihren Unternehmen angeboten haben, kann dagegen laut einer aktuellen Studie der Universität Konstanz[10] in der studentischen Selbstwahrnehmung des Bachelors eine sich im Trend verstärkende „Dequalifizierung“ akademischer wie individueller Qualifikationen festgestellt werden. Bachelor-Studentinnen und -Studenten insbesondere an Universitäten bezweifeln ihre Berufschancen, zumal es sich bei der von ihnen geforderten „employability“ um ein bislang wenig klares Qualifizierungskonzept handelt.

Im Bereich Kinder- und Jugendhilfe beobachtet beispielsweise das Landesjugendamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe eine große Unsicherheit in der Praxis, angesichts der vielfältigen Ausbildungsgänge mit unterschiedlichsten inhaltlichen Schwer-punkten die berufliche Qualifikation von „Fachkräften“ überhaupt noch festzustellen.[11] Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber seien auf diese Absolventinnen und Absolventen nur unzureichend vorbereitet.[12]

Noch ist nicht abzusehen, wie die gegenüber dem Diplom verkürzte Studiendauer und damit frühere Berufseinmündung der Absolven-tinnen und Absolventen zu bewerten ist. Sie wird zum einen als Chance gesehen, neue Bereiche für akademische Ausbildungen zu öffnen (z. B. Erzieherinnen- und Erzieherausbildung), zum anderen besteht die durch Veränderungen im Zuge des Umbaus des Sozialstaats sowie die Einführung neuer Tarifstrukturen im öffentlichen Dienst gestützte Befürchtung einer Dequalifizierung. 

Die folgenden Ausführungen formulieren einerseits Erwartungen der Anstellungsträger an die Hochschulen hinsichtlich der durch die neuen Studiengänge zu gewährleistenden „employability“ ihrer Absolven-tinnen und Absolventen, zum anderen aber auch Herausforderungen an die Anstellungsträger, das lebenslange Lernen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vom Beginn der Beschäftigung an adäquat zu fördern. In diesem Zusammenhang müssen Hochschulen und Anstellungsträger noch stärker als bisher auf einander zugehen.[13] Dabei gilt es zum einen zu berücksichtigen, dass es sich beim Übergang vom Studium zum Beruf um eine Entwicklungsaufgabe handelt, für die die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger bestmögliche Voraussetzungen aus ihrem Studium mitbringen müssen, deren Herausforderungen sie aber im Studium dennoch nicht vollständig vorwegnehmen können, sondern denen sie sich im Hier und Jetzt ihrer neuen Lebensphase zu stellen haben. Von ihren Anstellungsträgern brauchen sie dabei auf alle Fälle Unterstützung und entsprechende Einarbeitung. Zum anderen sind auch die Hochschulen aufgefordert, auf die Frage der Beschäftigungsfähigkeit der Absolventinnen und Absolventen im Rahmen der Akkreditierung einzugehen.

Die Hochschulen haben aus Sicht der Anstellungsträger insbesondere in den Bachelor- Studiengängen eine wissenschaftlich fundierte und hinreichend breit angelegte fachliche Ausbildung zu leisten. Dabei sollen neben den erforderlichen Fachkompetenzen wichtige soft skills beziehungsweise Querschnittskompetenzen wie Kommunikations-fähigkeit, Einfühlungsvermögen, Eigeninitiative, Konfliktfähigkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit und interkulturelle Kompetenz vermittelt werden[14], um nach anspruchsvollen professionellen Standards handeln zu können[15]. Für Absolventinnen und Absolventen von Masterstudiengängen sind in der Regel Leitungsaufgaben oder Aufgaben von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorgesehen. Die notwendige Praxisnähe ist durch projektorientierte Studienanteile und zumindest ein Praxissemester zu gewährleisten. Für beide Abschlussmöglichkeiten gilt: Das Diploma Supplement soll größtmögliche Transparenz über Studienanforderungen und -inhalte ermöglichen.[16]

Die Anstellungsträger sollen die Hochschulen dabei unterstützen, den Praxisbezug ihrer Studiengänge zu steigern, indem sie vermehrt Praktikumsplätze mit qualifizierter Praxisanleitung für Studentinnen und Studenten anbieten, gemeinsame Projekte mit Hochschulen durchführen, Evaluations- und Forschungsaufträge an die Hoch-schulen vergeben, die auch den Einsatz von Studierenden ermöglichen, und Fachkräfte als Lehrbeauftragte bzw. Dozenten-/Dozentinnen an die Hochschulen entsenden sowie sich an dualen Studiengängen beteiligen. Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger sollen mit  gezielten Einarbeitungsmaßnahmen bzw. Trainee-Programmen unterstützt und durch permanente Fort- und Weiterbildung von Anfang an gefördert werden. Mit der Orientierung an Kompetenzen als Ergebnis des Qualifizierungsprozesses sind die Anstellungsträger herausgefordert, sich in die Erstellung von Kompetenzzielen und Qualifikationsprofilen noch stärker einzubringen und an der Umsetzung mitzuwirken. 

Das Diploma Supplement wird zentraler Bestandteil jedes Bewerbungsverfahrens werden. Dies erfordert, dass die Hochschulen, Dachverbände oder Fortbildungsinstitutionen verständliche und in Bezug auf Studieninhalte und vermittelte Kompetenzen nachvoll-ziehbare Zertifikate ausstellen. Zugleich müssen aber auch die Bewerberinnen und Bewerber in der Lage sein, den Anstellungs-trägern mit Hilfe des Diploma Supplements erläutern zu können, welche Kompetenzen sie für die ins Auge gefasste Tätigkeit mitbringen.

Der Bachelor-Abschluss an den Universitäten darf keinesfalls den Charakter eines Zertifikats für Studierende erhalten, die zu Zeiten von Diplomstudiengängen ihr Studium ohne Abschluss abgebrochen hätten[17], sondern muss employability ebenso vemitteln wie der Bachelor der Fachhochschulen. Studierenden aller Hochschulen müssen die Wege zum Master ohne zusätzliche Kosten offen stehen.

Nicht zuletzt sollte die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ebenso wie die Hochschulforschung in den nächsten Jahren ein verstärktes Augenmerk auf die Berufseinmündung der Absolventen und Absolventinnen von Bachelor- und Master-Studiengängen richten.

Insgesamt wird es aber in Zukunft darauf ankommen, die vielfältigen im Bologna-Prozess parallel laufenden Aktivitäten stärker so aufeinander zu beziehen, dass für alle Beteiligten das höchste Maß an Transparenz ermöglicht wird. Diese Transparenz ist sowohl auf Seiten der Studierenden erforderlich, um eine begründete Wahl für einen Studiengang treffen zu können, als auch auf Seiten der Anstellungsträger, die eine begründete Wahl bei Personal-einstellungen treffen können müssen. Dies setzt allerdings voraus, dass die beteiligten Akteure in der Lage sind, trotz der Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation zwischen den Hochschulen entsprechende Koordinationsaufgaben erfolgreich zu bewältigen. 


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Wiesbaden, 04./05. März 2009 
 


Weitere Positionspapiere, Literatur, Links

[1] In einem schnellen, weitgehend ungesteuerten Entwicklungsprozess sind seit dem Jahr 2004 an ca. 60 Standorten in ganz Deutschland Studienangebote im Bereich (früh-)kindlicher Erziehung und Bildung entstanden oder in konkreter Planung befindlich. Sie sind überwiegend an Fachhochschulen, seltener an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen oder Berufskollegs angesiedelt. Die überwältigende Mehrzahl der existierenden Angebote führt zum Abschluss Bachelor of Arts. Daneben gibt es wenige Masterprogramme und einige wenige auf Hochschulebene angesiedelte Weiterbildungsstudiengänge, mit denen lediglich ein Hochschulzertifikat erworben wird. Auf diese Studiengänge wird im Weiteren nicht explizit eingegangen, da deren Entwicklung eine gesonderte Betrachtung bedarf. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich von daher auf die unterschiedlichen Studiengänge der Sozialen Arbeit.

[2]Die jeweiligen Ausführungen der herangezogenen Gesellschaften bzw. Verbände und Gewerkschaften haben einen unterschiedlichen Grad an Verbindlichkeit. So haben die Beschlüsse des EWFT und des FBTS zum Bologna-Prozess eher einen appellativen Charakter an die betroffenen Fakultäten bzw. Fachbereiche, als dass sie bindend sein können – auch wenn der EWFT einen verbindlichen Beschluss gefasst hat.
Eine Schwierigkeit für die Analyse liegt darin, dass einerseits das Thema „Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern“ auf Fachschulebene in Bezug auf den Deutschen Qualifikationsrahmen am Beginn der Überlegungen steht, andererseits diese Diskussion sich überschneidet mit den Forderungen nach einer Akademisierung des Berufes.
[3] vgl. hierzu Böllert, Karin (2007): Sozialpädagogik in konsekutiven Studiengängen, In: Erziehungswissenschaft. Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Heft 35, 18. Jg., S. 57-62
[4] Für den M.A.-Abschluss gibt es unterschiedliche Angebote. Der konsekutive Master schließt unmittelbar an den Abschluss Bachelor in derselben Fachdisziplin an. Der nicht konsekutive Master schließt zwar auch unmittelbar an den Bachelor an, ist aber nicht in derselben Fachdisziplin (z. B. Bachelor in Sozialer Arbeit und Master in Betriebswirtschaft). Weiterbildungsmaster sind in der Regel berufsbegleitend und setzen eine Berufstätigkeit vielfach von zwei Jahren nach Abschluss des Bachelor-Studiums voraus. Master-Studiengänge können anwendungs- oder forschungsorientiert sein.
[5] Deshalb ist die Frage der Reglementierung auch hier zu klären; gegenwärtig gibt es ca. 40 solcher Studiengänge, die sich im Hinblick auf ihre inhaltliche Ausrichtung, Regelstudienzeit und Praxisanteile stark unterscheiden; darüber hinaus variieren die Berufsbezeichnungen. 
[6] JFMK-Beschluss  (29./30. Mai 2008) „Staatliche Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen im sozialen Bereich im Kontext der Hochschul- und Studienreform“
[7] Deutscher Verein (2008): Positionspapier zur staatlichen Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen im sozialen Bereich im Kontext der Hochschul- und Studienreform, In: NDV August 2008, S. 329
[8] DBSH (2006): Empfehlungen zur Praxisanleitung - Stellungnahme zur staatlichen Anerkennung, In. DBSH-Newsletter Februar  
[9] vgl. Bachelor Welcome - MINT-Nachwuchs sichern! Erklärung der Personalvorstände führender Unternehmen in Deutschland zum strukturellen Mangel an Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), (20.06.2008), Internet: www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_7KUDN8_Bachelor_Welcome
[10] Bargel, Tino; Bargel, Holger; Dippelhofer, Sebastian (2008): Der Bachelor - zum Image einer neuen sozialen Kategorie. Empirische Befunde zur Sicht der Studierenden. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, Jg. 28, H. 4, S. 377-391. Internet: www.iab.de/764/section.aspx/Publikation/k081110801
[11] Als positives Beispiel nennt das Landesjugendamt Westfalen-Lippe die berufsbegleitende Konzeption des Studiums der Sozialpädagogik in Enschede (http://de.saxion.edu/sph_deeltijd_duits). Das Landesjugendamt Baden-Württemberg weist in diesem Zusammenhang auf die Duale Hochschule Baden-Württemberg – vormalige Berufsakademien – hin.
[12] Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, 105. Arbeitstagung vom 10.-12.11.2008 in Saarbrücken, Vorlage Nr. 981, Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe
[13] vgl. Evangelischer Erziehungsverband (EREV) (2004):  Positionspapier zu neuen Ausbildungsstrukturen in der Sozialen Arbeit an Fachschulen und Fachhochschulen , Internet: www.erev.de/auto/Downloads/Positionspapiere/2004_11_Positionspapier_Neue
_%20Ausbildungsstrukturen.pdf
[14] vgl. Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit
[15]Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Das Fachkräftegebot des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, Beschluss der 79. Arbeitstagung vom 8.-10.11.1959 in Köln, aktualisiert durch die 97. Arbeitstagung vom 10.-12.11.2004 in Erfurt. Internet: www.bagljae.de
[16] vgl. KMK, Ländergemeinsame Strukturvorgaben in der jeweils gültigen Fassung
[17] vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005) (Hrsg.): Bachelor- und Master-Studiengänge in ausgewählten Ländern Europas im Vergleich zu Deutschland – Fortschritte im Bolognaprozess, Berlin, S. 36 ff. Internet: www.bmbf.de/pub/bachelor_master_gesamt.pdf