„Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ Das Hartz-Konzept und seine gesetzliche Umsetzung

Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe

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1. Einleitung

Zu Beginn des letzten Jahres wurde deutlich, dass es den Vermittlungsstatistiken der Bundesanstalt für Arbeit an Transparenz mangelt. Als Folge wurde die Kernkompetenz der Arbeitsverwaltung in Frage gestellt. Die Politik hat auf die aktuelle Kritik an der Arbeitsverwaltung schnell reagiert und sowohl kurzfristig Sofortmaßnahmen eingeleitet als auch die Kommission „Moderne Dienstleistun- gen am Arbeitsmarkt“ mit der langfristigen Weiterentwicklung der Arbeitsämter zu modernen Dienstleistungsanbietern für Arbeitslose, Beschäftigte und Unternehmen beauftragt. Ziel der Kommission war es Vorschläge zu entwickeln, die dazu führen, Beschäftigungsstrukturen zu verbessern, die aktivierende Arbeitsmarktpolitik auszubauen, die Vermittlung zu beschleunigen sowie die Schaffung neuer Arbeit und die Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zu fördern.

Am 16. August 2002 legte die Hartz-Kommission ihren Bericht vor. Er wurde einstimmig von den Mitgliedern aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Wissenschaft und Politik getragen. Der Vorschlag der Hartz-Kommission versucht, die Bedürfnisse der Wirtschaft nach Flexibilität mit dem Anspruch nach sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit zu verbinden. Durch ihn wurde deutlich, dass es um eine grundlegende Neuorientierung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik geht.

Zur Zeit wird das Hartz-Konzept durch den Gesetzgeber umgesetzt. Dabei ist festzustellen, dass zumindest in der ersten Stufe des Gesetzgebungsverfahrens einzelne Vorschläge modifiziert wurden. Die ersten beiden Gesetze zur Umsetzung der Hartz-Vorschläge sind zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Die Vereinfachung des Leistungsrechts und der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, soll im Laufe des Jahres erfolgen. Den Abschluss bildet die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum 1. Januar 2004.


Hilfe für junge Menschen

Der Kinder- und Jugendhilfe kommt nach § 1 SGB VIII die Aufgabe zu, Jugendliche bei der Verwirklichung ihres Rechts auf Förderung und Erziehung zur Eigenverantwortlichkeit zu unterstützen. Sie soll ihre individuelle und soziale Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen. Die Jugendhilfe ist in vielfältiger Weise beteiligt an den Leistungen für Jugendliche im Übergang von der Schule in den Beruf. Die Ergebnisse der Hartz-Kommission werden die Arbeit der Jugendhilfe erheblich beeinflussen. Aus diesem Grund kommentiert die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe das Konzept „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ aus ihren Erfahrungen im Engagement insbesondere für benachteiligte Jugendliche.

Junge Menschen sind angesichts der sich verschärfenden Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt viel zu häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Dies trifft in besonderer Weise auf sozialbenachteiligte Jugendliche zu. Die oftmals fehlenden Qualifikationen und Bildungsabschlüsse erschweren ihnen den dauerhaften Einstieg in den Arbeitsmarkt. Für junge Menschen bedeutet eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle die Stärkung des Selbstwertgefühls und den Aufbau einer Lebensperspektive. Der Zugang zu Ausbildung und Arbeit ist damit zentral für die gelingende Gestaltung der eigenen Biographie.

Eine erfolgreiche Integration Jugendlicher in das gesellschaftliche Leben, die nach wie vor über das Erlangen eines Arbeitsplatzes erfolgt, bedarf einer an ihren Lebenslagen orientierten Unterstützung und in diesem Zusammenhang einer besonderen Kooperation. Die Zusammenarbeit aller politisch und fachlich Verantwortlichen auf den verschiedenen Ebenen ist von entscheidender Bedeutung. Hier kann das Hartz-Konzept, dessen zentrales Element die Kooperation verschiedener Akteure bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit ist, hilfreich sein. Allerdings ist eine jugendspezifische Kooperation im Hartz-Konzept nicht vorgegeben, sie muss bei der Umsetzung der Vorschläge noch verankert werden.


Chancen und Risiken eines Neuanfangs

Die Neuorientierung des Arbeitsmarkts birgt Chancen und Risiken für die Betroffenen und für die Jugendhilfe. Die Chance, durch besser abgestimmte Dienstleistungen der Akteure im Hilfesystem eine stärker an den Betroffenen orientierte Hilfe zu entwickeln, sollte aufgegriffen werden. Für die Jugendhilfe ist es dabei von besonderer Bedeutung, ihre Fähigkeiten im Interesse der Kinder und Jugendlichen frühzeitig einzubringen. Dazu ist es nötig, alle Kräfte zu bündeln, die mit ihren spezifischen Ansätzen in der Jugendhilfe dazu beitragen, jungen Menschen berufliche Perspektiven zu vermitteln. In der Diskussion um die Umsetzung der Hartz-Vorschläge gilt es, eigene Fähigkeiten aufzuzeigen und die Zusammenarbeit aller Akteure einzufordern.

Das Risiko besteht darin, dass im Rahmen der Hartz-Vorschläge neue Kooperationsstrukturen aufgebaut werden sollen, ohne zu klären, welchen Stellenwert bewährte Strukturen zukünftig haben werden. In der Jugendsozialarbeit, in der Jugendberufshilfe, aber auch bei den erzieherischen Hilfen sind von öffentlichen und freien Trägern viele gute und kreative Ansätze entwickelt worden, die jungen Menschen einen Einstieg ins Berufsleben ermöglichen und ihnen helfen, dauerhaft eine Tätigkeit auszuüben. Diese Ansätze müssen durch ein neues Konzept gestärkt werden. Bei der geplanten umfassenden Reform des Arbeitsmarktes müssen Hilfen für junge Menschen Priorität haben.

Die Reform der Arbeitsmarktpolitik darf nicht zu einer verdeckten Sparoperation der Bundesregierung verkümmern. Die Einsparungsmaßnahmen bei der Arbeitsmarktpolitik für den Haushalt 2003 wurden mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes verknüpft. Dies könnte dazu führen, dass die billigsten und nicht die besten Strukturen für die Betroffenen entwickelt werden. Sollte sich dies bestätigen, sind besonders für die weiteren Schritte der Umsetzung etwa bei der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe weitere Belastungen für die Betroffenen zu befürchten.

Die Vorschläge der Hartz-Kommission dürfen nicht allein bei den Arbeitslosen ansetzen und hier Rechte abbauen und Pflichten einseitig ausweiten. Nur wenn es gelingt, auch die Unternehmen und ihre Verbände in die Verantwortung zu nehmen, kann ein Konzept für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gelingen, das Menschen neue Chancen gibt.

Die Vorschläge der Hartz-Kommission umfassen 13 Module, die zu modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt führen sollen. Die gesetzliche Umsetzung dieser Vorschläge hat diese Module modifziert und bildet die Grundlage dieses Diskussionspapiers. Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) wird sich in ihrer Beschreibung und Bewertung auf einzelne Module beschränken, die für die Jugendhilfe von besonderer Bedeutung sind.


2. „Hartz“ für junge Menschen

2.1 Die JobCenter

Die Umwandlung der bisherigen Hauptämter und Geschäftstellen der Arbeitsämter zu JobCentern soll alle arbeitsmarktrelevanten Dienstleistungen bündeln. Damit wird eine Forderung nach Kooperation aufgenommen, die seit langem gestellt und bereits in vielen Ansätzen praktiziert wird. Die Verstetigung dieser Kooperation ist ein wichtiger Schritt.

In einem ersten Schritt wurden zum 1. Januar 2003 gemeinsame Anlaufstellen von Arbeitsamt und Sozialamt sowie die Möglichkeit des Datenaustausches gesetzlich verankert. Die endgültige Umsetzung der Jobcenter soll erst im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe erfolgen.

Die erste Anlaufstelle für junge Menschen in einem JobCenter wird die Clearingstelle sein. Die Clearingstelle führt die einzelnen Personen zu den jeweils benötigten Angeboten im Center. Perso- nen, die informiert werden möchten, werden Informationseinrichtungen zur Verfügung gestellt. Bei einem Beratungsbedarf besteht die Möglichkeit, durch Vermittler ein passgenaues Angebot zu erhalten. Menschen, die eine intensive Betreuung benötigen und erhebliche Vermittlungshemmnisse aufweisen, werden durch speziell ausgebildete Fallmanager betreut.

Die neue Vermittlungs- und Betreuungsstruktur setzt ein Netzwerk von Kooperationspartnern voraus, durch das eine Vermittlung oder passgenaue Unterstützung und Förderung erst ermöglicht wird. In diesem Netzwerk spielt die Jugendhilfe eine wichtige Rolle. Gerade die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe mit ihren Angeboten der Jugendsozialarbeit, Jugendberufshilfe, der Bildungs- oder Beratungseinrichtungen sind von wesentlicher Bedeutung, da diese mit ihrer Fachlichkeit bei einer passgenauen Hilfeplanung wichtige Angebote für junge Menschen bieten.

Die Umsetzung dieser Kooperationsstruktur muss von allen Partnern am Ort gemeinsam angegangen werden. Das Hartz-Konzept stellt richtigerweise fest, dass die konkrete Ausgestaltung des JobCenters in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten erfolgen muss. Dort sollen bildungs-, arbeitsmarkt- und jugendpolitische Träger eng zusammenwirken. Unter dieser Prämisse kann die Arbeitsverwaltung aber nicht - wie im Konzept beschrieben - allein die Entscheidung über die Leistungen des JobCenters fällen. Eine Integration von Leistungen der Sozialhilfe und der Jugendhilfe muss auf örtlicher Ebene ausgehandelt werden. Dazu benötigt die Arbeitsverwaltung einen entsprechenden Verhandlungsspielraum. Das Hartz-Konzept klammert hier die wichtige Frage nach Finanzverantwortlichkeiten und Finanzbeziehungen zwischen den Bereichen aus. Entscheidungen werden hier erst in Rahmen der Gesetze zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe fallen. Dabei wird die zentrale Weichenstellung in der Kommission „Gemeindenfinanzreform“ der Bundesregierung vorgenommen.

Für die Integration junger Menschen in das Erwerbsleben hat die Berufsberatung eine große Bedeutung. Das künftige JobCenter soll den verschiedenen Kundengruppen möglichst zielgenau die erforderlichen Angebote machen. Die besondere Rolle der Berufsberatung wird im Konzept nicht berücksichtigt. Die Feststellung der Hartz-Kommission, dass die Berufsberatung auch weiterhin einen hohen Stellenwert behält, bleibt ohne Konsequenzen.

Die spezifische Dienstleistung des JobCenters für die Zielgruppe der Einsteigerinnen bzw. Einsteiger in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt muss im JobCenter einen besonderen Stellenwert erhalten. Eine gut strukturierte und koordinierte Unterstützung und Begleitung hilft bei der Überwindung der Schwellen in den Arbeitsmarkt und wirkt sich nachhaltig reduzierend auf das Risiko einer späteren Arbeitslosigkeit aus. Deshalb muss die Gewichtung der Berufsberatung im Dienstleistungskonzept des JobCenters hervorgehoben werden.

Aus der Sicht der Jugendhilfe muss die Berufsberatung im JobCenter

  • von speziell qualifizierten Fachkräften ausgeübt werden,
  • leicht erreichbar sein auch bei organisatorischer Differenzierung der JobCenter,
  • Tiefenprofiling in Kooperation mit Einrichtungen der Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe für alle Jugendlichen anbieten und für Jugendliche mit unterdurchschnittlichem Bildungsabschluss zur Regel machen,
  • den Einsatz in Schulen zum festen Bestandteil der Berufsberatung machen.

In der Formulierung eines zentralen Auftrags an das JobCenter zeigt sich eine sehr fragwürdige Haltung der Hartz-Kommission gegenüber jungen Menschen. Das JobCenter soll dafür sorgen, dass kein Jugendlicher Transferleistungen, also finanzielle Unterstützung erhält, „der zu Hause sitzt“. Wenn ein Jugendlicher nur zu Hause sitzt, dann kann dies auch daran liegen, dass der Dienstleister JobCenter versagt hat. Der Grundsatz „fördern und fordern“ muss auch die fachlichen Grundstan- dards der Jugendhilfe einbeziehen.

2.2 PersonalServiceAgenturen (PSA)

Der Aufbau von PersonalServiceAgenturen (PSA) ist das „Herzstück“ der Vorschläge der Hartz- Kommission zur Steigerung der „Umschlagsgeschwindigkeit“ auf dem Arbeitsmarkt. PSAs sind ei- genständige Organisationseinheiten in privatrechtlicher Form zum Zwecke der Arbeitnehmerüberlassung. PSAs erbringen Dienstleistungen im Auftrag und für die Arbeitsämter und sind mit einer Anlaufstelle in den neuen JobCentern integriert. Ziel der PSAs ist es, Einstellungshindernisse abzubauen und durch eine neue Form vermittlungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung Arbeitslose schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Form der Leiharbeit soll dazu beitragen, dass Arbeitnehmer und Betrieb sich gegenseitig kennen lernen und die Eignung erproben. Auf Seiten der Unternehmen sollen so Hemmschwellen abgebaut werden, die potentielle Arbeitgeber daran hindern, Arbeitslosen Beschäftigung zu geben. Diesem Zweck dient auch die geplante Flankierung der Beschäftigung durch Coaching- und Qualifizierungsmaßnahmen.

Arbeitslose können nach den neuen Regeln der Zumutbarkeit (vgl. entsprechendes Papier) einer PSA zugewiesen werden. Nach 6-monatiger Arbeitslosigkeit ist diese Zuweisung für den Betroffenen bindend. Eine Ablehnung hat dann leistungsrechtliche Konsequenzen. Mit Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses bei der PSA geht der Arbeitslose ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein. Die Höhe des Lohns bei einer Vermittlung über eine PSA wird abweichend vom Hartz-Konzept geregelt. Das Gesetz sieht vor, dass sich nach einer Einarbeitungsphase von sechs Wochen, in der nur ein Entgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes gezahlt wird, die Entloh- nung nach den Bedingungen im Entleihbetrieb richtet. Von dieser Regel kann nur im Rahmen eines Tarifvertrages abgewichen werden.

Jugendliche und junge erwachsene Arbeitslose dürften angesichts der verschärften Zumutbarkeitskriterien ein wichtiges Klientel der PSAs darstellen. Bisherige Erfahrungen mit vergleichbaren Modellen der Verpflichtung mahnen eher zur Zurückhaltung als zum Optimismus. Das Instrument der

Verpflichtung zur Leiharbeit allein erscheint wenig geeignet, Jugendlichen und jungen erwachsenen Arbeitslosen eine dauerhafte und tragfähige Beschäftigungsperspektive zu eröffnen.

Es ist abzusehen, dass gerade benachteiligte junge Menschen an PSAs vermittelt werden, um eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten. Gerade weil im Gesetz ein Vorrang für private Zeitarbeitsfirmen als Kooperationspartner des JobCenters verankert wurde, müssen folgende Punkte aus Sicht der Jugendhilfe in der konzeptionellen Umsetzung der PSAs besonders berücksichtigt werden:

  • Eine enge Zusammenarbeit zwischen den JobCentern und PSAs ist notwendig, um festzustellen, welche Entwicklung junge Menschen durch die Vermittlung vollziehen.
  • Eine Weiterleitung im System darf nicht dazu führen, dass die Probleme delegiert werden und die Betroffenen „aus den Augen verloren“ werden.
  • Das Know-how der Jugendhilfe macht diese zu geeigneten Anbietern von PSAs, die sich mit der spezifischen Personengruppe junger Menschen beschäftigen. Hier sollte vor Ort die Mög- lichkeit genutzt werden, bei Bedarf zusätzliche zielgruppenspezifische PSAs zu verankern, die neben einer privatwirtschaftlichen PSA existieren.

Die Kinder- und Jugendhilfe hat durch Angebote einer arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit vielfältige erfolgreiche Erfahrungen als Anbieter von Beratungs- und Vermittlungsstellen für Arbeitslose und schwer vermittelbare junge Menschen vorzuweisen. Gleichzeitig können Erfahrungen und Beispiele wie die gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung, wie sie im START NRW-Projekt praktiziert wird, für die Arbeit genutzt werden.


2.3 Qualifizierung

Das Hartz-Konzept hat auch die Eingliederungschancen von Jugendlichen im Blick, die für eine Ausbildung im dualen System oder auch in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte nicht oder noch nicht geeignet sind. Hier wird eingefordert, dass Vorbereitungsmaßnahmen, die der beruflichen Orientierung dienen oder die grundlegende Fähigkeiten vermitteln, weiterentwickelt werden sollen. Ziel ist es, Berufsvorbereitung und Berufsausbildung stärker miteinander zu verzahnen. Qualifikationen, die von den jungen Menschen bereits in der Berufsvorbereitung erlangt wurden, sollen zukünftig in der Berufsausbildung anerkannt werden.


Bei der gesetzlichen Umsetzung wurde daher die Berufsausbildungsvorbereitung neben der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung als Bestandteil der Berufsbildung im Berufsbildungsgesetz verankert. Die AGJ begrüßt die bessere Verzahnung im Interesse der Maßnahmenteilnehmerinnen und Maßnahmenteilnehmer. Berufsvorbereitung soll schrittweise auf eine Ausbildung hinführen. Folgerichtig müssen die Qualifikationen, die erworben werden, in der Ausbildung auch anerkannt werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass kurzsichtige bildungsökonomische Überlegungen dazu führen, sich auf billige Teilqualifizierungen zu beschränken und so benachteiligte Jugendliche dauerhaft von regulären Ausbildungsgängen auszuschließen.

Im Rahmen der gesetzlichen Umsetzung der Hartz-Vorschläge ist auch eine Neuausrichtung der Weiterbildungsförderung vorgenommen worden, die so nicht bei Hartz ausformuliert war. Dies hat auch Auswirkungen auf die Angebote der Jugendhilfe. Bereits in der Vergangenheit haben sich die Arbeitswelt bezogenen Angebote der Jugendhilfe stärker an den Regularien der Arbeitsförderung orientiert als an den Maßgaben des KJHG. Dies war nicht zuletzt Folge der Finanzierung dieser

Maßnahmen, die überwiegend aus Mitteln der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden. Dieser Zusammenhang wird auch in Zukunft seine prägende Wirkung kaum verlieren.

Neben einer deutlichen Vereinfachung der Förderung wird bei der Neuregelung der Qualifizierungsmaßnahmen der Wettbewerb zwischen den Anbietern verstärkt und die Eigenverantwortung des Arbeitssuchenden gefordert. Zukünftig erhalten Arbeitssuchende, die eine Qualifizierung benötigen, einen Gutschein, mit dem sie Qualifizierungsangebote von anerkannten Trägern in Anspruch nehmen können. Die Arbeitsuchenden können künftig frei unter den anerkannten Trägern und den Angeboten wählen. Diese Neuorientierung auf eine subjektorientierte Förderung wird durch die Entwicklung und Überprüfung trägerbezogener Qualitätskriterien durch extern fachkundige Stellen, sogenannte Zertifizierungsagenturen, begleitet.

Die Neuordnung der Qualifizierung bedarf klarer Rahmenbedingungen, damit die berechtigten Inte- ressen junger Menschen nicht aus den Augen verloren werden:

  • Durch die Einführung von Zertifizierungsagenturen und eines verstärkten Wettbewerbs darf die einseitige arbeitsmarktpolitische Orientierung von Maßnahmen nicht weiter verschärft werden. Die spezifischen Bedürfnisse junger Menschen bei der Berufsorientierung und -vorbereitung, den ausbildungsbegleitenden Hilfen und dem Übergang von der Ausbildung in den Beruf müs- sen als Maßstab für die Qualität von Maßnahmen in die Zertifizierungskriterien einfließen.
  • Aus Sicht der Jugendhilfe ist eine subjektorientierte Förderung über Gutscheine bei jungen Menschen nur dann sinnvoll, wenn eine qualifizierte Beratung und Begleitung bei der Auswahl der passenden Angebote sichergestellt ist.
  • Bei der Beschreibung der zu erwerbenden beruflichen Grundkenntnisse in der Berufsvorbereitung ist strikt sicherzustellen, dass die Verwertbarkeit in einer folgenden Berufsausbildung im Vordergrund steht.
  • Die Neuregelung der Berufsvorbereitung darf nicht dazu führen, dass Betriebe aus der Erstausbildung ausscheren und sie als kostengünstige Nische für die Teilqualifizierung von Anlernkräften nutzen.

Gerade das wichtige Feld der Berufsvorbereitungsmaßnahmen wird durch die Gesetzentwürfe grundlegend neu geregelt. Federführend ist hier das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die AGJ fordert das BMBF auf, die Interessen der jungen Menschen und nicht einseitig die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen bei der näheren Regelung der Bescheinigung über den Erwerb beruflicher Grundkenntnisse in den Vordergrund zu stellen.


3. Bewertung und Ausblick

Die Krise der Arbeitsverwaltung hat die überfällige Reform der Arbeitsmarktpolitik beschleunigt. Eine Neuorientierung im Zeichen einer Dienstleistungsorientierung eröffnet neue Möglichkeiten für die Betroffenen und für alle am Kampf gegen die Arbeitslosigkeit beteiligten Akteure. Dabei darf es nicht zu einseitigen Lösungen des Problems der Arbeitslosigkeit auf Kosten der Arbeitnehmer und Arbeitslosen kommen. Alle gesellschaftlichen Gruppen sind in die Verantwortung zu nehmen, wenn es gelingen soll, Arbeitslosigkeit dauerhaft zu reduzieren.

Die Jugendhilfe befindet sich mit ihren Angeboten an vielen Schnittstellen, die es ermöglichen, jungen Menschen z.B. den Übergang von der Schule in den Beruf zu erleichtern. Wie in der Streitschrift des Bundesjugendkuratoriums zum Thema Bildung richtig festgestellt wurde, muss es Auf-

gabe der Jugendhilfe sein, für die unterschiedlichen Schnittstellen geeignete Übergangskonzepte zu entwickeln. Dieses Aufgabenfeld setzt voraus, dass sich die einzelnen Institutionen ihres Bildungsauftrages bewusst sind.

Im Interesse der jungen Menschen gilt es, für den Einzelnen durch Aushandlungsprozesse der verschiedenen Akteure, individuelle Lösungen zu entwickeln und Hilfen über das neu entstandene Netzwerk vor Ort anzubieten. Gerade die Jugendsozialarbeit verfügt über jahrelange Erfahrungen in der Arbeit mit benachteiligten jungen Menschen und hat vielfältige kreative Ansätze entwickelt, die im Rahmen von Lösungsstrategien schwer vermittelbarer Jugendlicher in den Arbeitsmarkt Berück- sichtigung finden sollten. Auch der Schulsozialarbeit kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu.

Die Jugendhilfe nimmt das Angebot der Kooperation mit anderen Akteuren gerne auf und ist bereit, sich an der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu beteiligen. Die Jugendhilfe verfügt über Kooperationsstrukturen und -erfahrungen, die in den Prozess eingebracht werden können und die für eine gelingende Integration junger Menschen unverzichtbar sind. Bei der Neustrukturierung eines Netzwerkes zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und zur Integration der Betroffenen wird sie da- her eine wichtige Rolle spielen müssen.

Für die Jugendhilfe war es aufgrund des schnellen Gesetzgebungsverfahrens kaum möglich, sich im Vorfeld einzubringen. Umso notwendiger ist es, sich frühzeitig an der Umsetzung vor Ort konstruktiv zu beteiligen. Das Hartz-Konzept hat viele Ansatzpunkte zur Kooperation gegeben, jetzt gilt es, die Jugendhilfe mit ihrer Fachlichkeit und ihren Angeboten einzubeziehen.


Berlin, im Februar 2003
Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe