Preisverleihung Deutscher Kinder- und Jugendhilfepreis 2018

AGJ würdigt Wissenschaft, Praxis und Medien für herausragende Leistungen für junge Menschen und ihre Familien – Minister Dr. Garg, Prof. Dr. Böllert und Prof. Dr. Schröer überreichen Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ hat am 28. Juni d. J. in Berlin den Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis – Hermine-Albers-Preis – an drei Preisträger verliehen. Prämiert wurden innovative und herausragende Arbeiten der politischen Bildung, der Medien und der Wissenschaft. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 12.000 Euro vergeben. „Für die Zukunftsfähigkeit einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft ist es wichtig, dass sich Menschen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien engagieren – ihnen eine Stimme geben, sie beteiligen und Innovationen voranbringen,“ sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, Prof. Dr. Karin Böllert, auf der Preisverleihung. Die Bewerbungen für den Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis 2018 zeigten, wie vielfältig die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sind, mit wie viel Herzblut sich Journalistinnen und Journalisten in ihrer Berichterstattung um die Belange von jungen Menschen und ihren Familien kümmern und wie mannigfaltig sich die Forschungslandschaft darstellt. Ermittelt wurden die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger aus 135 eingereichten Bewerbungen von einer elfköpfigen Jury. Stifter des Preises sind die Obersten Jugend- und Familienbehörden der Länder. Die Preise wurden vom Vorsitzenden der Jugend- und Familienministerkonferenz, Minister Dr. Heiner Garg, der AGJ-Vorsitzenden Prof. Dr. Karin Böllert und dem Juryvorsitzenden Prof. Dr. Wolfgang Schröer in einem feierlichen Rahmen übergeben.

Minister Dr. Garg betont: „Mein herzlicher Dank und meine Gratulation gehen an die Ausgezeichneten, auch im Namen der Länder. Sie tragen dazu bei, dass der Fokus auf Jugendhilfe und innovative Entwicklungen in der Jugendhilfe gelenkt wird. Damit helfen die Preisträgerinnen und Preisträger auch, Jugendhilfe zu verbessern und geben wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung in der Praxis. Im Mittelpunkt muss dabei immer das Wohl der Kinder und Jugendlichen stehen“, so Garg.
„Die Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises sind wichtige Vorbilder für eine gerechte und solidarische Gesellschaft – ganz im Sinne der Namensgeberin des Preises Hermine Albers.“ ergänzte Böllert. 

Praxispreis: ABC Bildungs- und Tagungszentrum für das inklusive, filmische Partizipationsprojekt BIG EARTH


In der Kategorie Praxispreis wurde das ABC Bildungs- und Tagungszentrum Drochtersen-Hüll ausgezeichnet, das sich mit dem inklusiven, filmischen Partizipationsprojekt BIG EARTH für Jugendliche mit und ohne Fluchtgeschichte beworben hatte. Die Laudatio auf der Preisverleihung hielt Ina Bielenberg, Jurymitglied und Geschäftsführerin des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten.

BIG EARTH: In dem Kooperationsprojekt mit der Hüller Medienwerkstatt e. V. und DirectorsCut.ch und weiteren Partnern haben vier Jahre lang mehr als 100 junge Menschen aus aller Welt zusammen mit professionellen Filmemachern, Theaterschaffenden, Pädagoginnen und Pädagogen aus der politischen Bildung einen abendfüllenden Langspielfilm produziert. Erzählt wird darin die Geschichte von sog. unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die in einem Landhotel in einer abgelegenen Gegend Niedersachsens gelandet sind. Was sie erleben, von rassistischen Anfeindungen über den Kontakt mit der Dorfjugend und Freundschaften schließen bis dahin, dass sie für eine Flüchtlingsshow missbraucht werden sollen, von Abschiebung bedroht sind und sich zwischen Hoffnung und Verzweiflung, tiefer Weisheit und Witz bewegen – dies alles erzählt dieser absolut sehenswerte Film. Als Grundlage für das Drehbuch dienten Geschichten, Episoden und Erlebnisse der Jugendlichen, die sie im Rahmen von Workshops des ABC Bildungs- und Tagungszentrums erzählten und in Medien-, Musik- und Theaterprojekten umsetzten.

Die Jury des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises hat sich einstimmig für das ABC Bildungs- und Tagungszentrum als Preisträger in der Kategorie Praxispreis entschieden: „Das Projekt BIG EARTH erfüllt gleich mehrere Anliegen außerschulischer Jugendbildungsarbeit wie Partizipation, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Inklusion. Der Schwerpunkt der diesjährigen Ausschreibung des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises „politische Bildung in der Kinder- und Jugendhilfe“ ist klar zu erkennen. Aufgegriffen werden u. a. Themen wie Alltagsrassismus, Flüchtlingspolitik und ein demokratisches Miteinander. Das Projekt hat Menschen mit und ohne Fluchterfahrungen zusammengebracht. Darüber hinaus fand es die Jury besonders wohltuend, dass junge Menschen, z. B. aus Syrien oder Afghanistan, nicht als hilfsbedürftige Benachteiligte angesprochen wurden, sondern als junge Menschen mit Erfahrungen und Kompetenzen, die gefragt waren und die erfolgreich in das Projekt eingebracht werden konnten. Das Projekt hat die Jury vollkommen überzeugt.“

Lesen Sie mehr zu BIG EARTH unter folgendem externen Link http://bigearth.abc-huell.de/

Medienpreis: Anja Kretschmer und Jessica Briegmann für den Film „Krieg ums Kind – Wenn Eltern Betreuung brauchen“ (veröffentlicht am 24. November 2016 im WDR, Redaktion Menschen hautnah).

In der Kategorie Medienpreis wurden Anja Kretschmer und Jessica Briegmann für den Film „Krieg ums Kind – Wenn Eltern Betreuung brauchen“ ausgezeichnet. Die Laudatio auf der Preisverleihung hielt Peter Wensierski, Mitglied der Jury und Journalist.

Der Film schildert den Arbeitsalltag einer Umgangsbegleiterin mit getrenntlebenden, zerstrittenen Eltern, die ihre Kämpfe über das Kind austragen. Die Autorin Anja Kretschmer begleitet dafür die Umgangsbegleiterin Cornelia Knöfel ein halbes Jahr lang und zeigt alle Menschen hautnah. Der Film präsentiert ein wenig thematisiertes Angebot der Kinder- und Jugendhilfe mit all seinen Chancen, aber auch den Problemen, die daraus entstehen. Er vermittelt einen seltenen intensiven Einblick in eine Situation, die für viele Menschen wahrlich kein Randproblem ist: rund 160.000 Ehen wurden im vergangenen Jahr geschieden. Der Film zeigt die Übergaben von Kindern, Geburtstage und vieles mehr. Eine Neunjährige sieht ihren Vater alle zwei Wochen für eineinhalb Stunden – unter Beaufsichtigung der Umgangsbegleiterin. Ihr Vater ist darüber nicht begeistert, aber ohne sie würde er seine Tochter überhaupt nicht mehr sehen dürfen. Neben dem Arbeitsalltag der Umgangsbegleiterin wird auch deren Rolle sehr eindringlich und genau dargestellt. Sie gerät immer mal wieder „zwischen die Fronten“ – in Einzelfällen wird sie sogar bedroht. Auch die Schattenseiten dieser Arbeit, wie u. a. zu wenig Anerkennung, werden thematisiert.

Die Jury des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises hat sich einstimmig für den Film „Krieg ums Kind – Wenn Eltern Betreuung brauchen“ und damit für die Autorin Anja Kretschmer und die Redakteurin Jessica Briegmann als Preisträgerinnen in der Kategorie Medienpreis entschieden: „Die Arbeit der Umgangsbegleiterin wird emphatisch und gut nachvollziehbar dargestellt. Neben ihr kommen die Kinder zu Wort und beide Eltern, um deren Sichtweisen darzustellen, um die Geschichte von zwei Seiten aus zu erzählen und was es für das Kind bedeutet. Besonders die offenen Antworten und Überlegungen des Kindes rühren den Zuschauer. Der Film ist sehr ruhig, unaufgeregt und erzählt das Thema sehr ausgewogen. Wenn überhaupt Partei ergriffen wird, dann am ehesten für die Kinder. Es macht Freude, den Film zu sehen, weil die distanziert-emphatische Darstellung die Möglichkeit gibt, sich behutsam auf die Personen, ihre Sichtweisen und ihren Umgang mit dem Kind einzulassen. Der Film überrascht mit einer großen Nähe, Intensität und Differenziertheit.“

Hier kommen Sie zum Film Krieg ums Kind unter folgendem externen Link https://www1.wdr.de/fernsehen/menschen-hautnah/sendungen/krieg-ums-kind-106.html

Theorie- und Wissenschaftspreis: Dr. Daniela Reimer für ihre Dissertation und Buchveröffentlichung „Normalitätskonstruktionen in Biografien ehemaliger Pflegekinder“.

In der Kategorie Theorie- und Wissenschaftspreis wurde Dr. Daniela Reimer von der Universität Siegen für die Dissertation und Buchveröffentlichung „Normalitätskonstruktionen in Biografien ehemaliger Pflegekinder“ ausgezeichnet. Die Laudatio [PDF) auf der Preisverleihung hielt Dr. Christian Lüders, Jurymitglied und Leiter der Abteilung "Jugend und Jugendhilfe" am Deutschen Jugendinstitut in München. Den Preis übergaben die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ, Prof. Dr. Karin Böllert, Minster Dr. Heiner Garg und der Juryvorsitzende, Prof. Dr. Wolfgang Schröer.

In Biografien ehemaliger Pflegekinder gibt es Erfahrungen, die sie von Menschen, die keine Pflegekinder sind oder waren, unterscheiden und die sie in ihren eigenen Augen und denen anderer als unnormal erscheinen lassen. Mit biografischen Interviews untersucht Daniela Reimer, welche konkreten Erfahrungen und Erlebnisse es sind, die Pflegekinder mit mangelnder oder fragiler Normalität machen. Aus den Erfahrungen werden Konstruktionen von Normalität, die die jeweiligen Biografieträger vornehmen, rekonstruiert; biografische Hintergründe sowie Strategien der Normalitätsbalance werden analysiert.

Die Jury des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises hat sich einstimmig für die Dissertation und Buchveröffentlichung „Normalitätskonstruktionen in Biografien ehemaliger Pflegekinder“ und damit für Dr. Daniela Reimer als Preisträgerin in der Kategorie Theorie- und Wissenschaftspreis entschieden: „Die Arbeit liefert wichtige empirische Einsichten sowohl für die Fach- als auch die öffentliche Diskussion um das Pflegekinderwesen speziell zu der Frage, wie Pflegekinder ihre Biografie deuten und verarbeiten. Mit Hilfe von aufwändigen Detailanalysen der geführten Interviews werden Perspektiven und Einsichten eröffnet, die den bisherigen Debatten wichtige Differenzierungen aus der Sicht der ehemaligen Pflegekinder hinzufügen. Gerade weil die aus der Sicht der Betroffenen geschilderten Fälle sich in weiten Teilen den üblichen Klischees von Pflegekinderkonstellationen widersetzen und es zudem gelingt, die Mühen der Auseinandersetzung mit diesen Zuschreibungen empirisch sichtbar zu machen, gehört das Buch in jede Ausbildung von Pflegefamilien und ins Zentrum der entsprechenden Fachdiskussion.“

Die nächste Ausschreibung des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises erfolgt im Frühjahr 2019.