Europa und Du – europäische Jugendpolitik im Fokus der Kinder- und Jugendhilfe. Ein Rückblick auf die Veranstaltung beim 18. Deutschen Kinder und Jugendhilfetag.

Am 13. Mai 2025 fand auf dem 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag die vom AGJ-Fachausschuss II „Kinder- und Jugend(hilfe)politik in Europa“ organisierte Fachveranstaltung „Europa und Du. Europäische Jugendpolitik entschlüsselt.“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, das oft unsichtbare „Europa“ in der Kinder- und Jugendhilfe sichtbarer zu machen, Bezüge zur Praxis herzustellen und zentrale Entwicklungen der europäischen Jugendpolitik der vergangenen Jahrzehnte zu reflektieren.

Die Auswertung einer zu Beginn durchgeführten Mentimeter-Umfrage zeigte, dass die Mehrheit der ca. 45 Teilnehmenden über Vorerfahrung im Themenfeld verfügte und aus Deutschland zum DJHT angereist war. Corinna Robertson-Liersch (Vertretung des Landes Niedersachsen bei der EU) und Dr. Frederike Hofmann-van de Poll (Deutsches Jugendinstitut) zeichneten in ihrem dialogisch gestalteten Keynote-Vortrag aus wissenschaftlicher und fachpolitischer Perspektive die Entwicklungslinien europäischer Jugendpolitik seit den 1990er Jahren nach und machten deutlich, dass aus den beiden Perspektiven durchaus unterschiedliche Meilensteine identifiziert werden können. Im anschließenden Podiumsgespräch diskutierten, moderiert durch Rolf Witte (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.), Janina Bittner (Jugendamt Leipzig), Alexander Hauser (Caritas, Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege), Dorothee Ammermann (Evangelische Jugend Deutschland - aej) und Georg Pirker (Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten - AdB) zur Wirkung europäischer Jugendpolitik auf die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. In der Diskussion wurde deutlich, dass Europäische Jugendpolitik oft direkter als angenommen wirkt – etwa durch politische Programme wie die Jugendgarantie und Finanzierungsformate, wie ALMA oder das Europäische Solidaritätskorps (ESK). Diese Programme seien auch geeignet, um jungen Menschen, insbesondere aus benachteiligten Lebenslagen, neue Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen. Auch in der Jugendsozialarbeit würden EU-geförderte Projekte häufig mitgetragen. Janina Bittner schilderte beispielhaft, wie europäische Strategien – insbesondere im Rahmen der Kindergarantie – auf kommunaler Ebene aufgegriffen würden. Gleichzeitig habe es bisher an klaren Umsetzungsplänen und gesicherter Finanzierung gefehlt. Alexander Hauser wies auf die Bedeutung des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) hin, mit dessen Hilfe zentrale Impulse in Kommunen gesetzt werden könnten – insbesondere für Jugendliche mit erschwertem Zugang zu Bildung, Arbeit oder Mobilität. Dieses „unsichtbare Europa“, so betonte er, müsse sichtbarer gemacht werden. Dorothee Ammermann erläuterte, wie Beteiligungsformate wie der EU-Jugenddialog oder der neue EU Youth Test die Sichtbarkeit und Berücksichtigung der Interessen junger Menschen in politischen Entscheidungsprozesse gestärkt hätten und in Zukunft noch weiter stärken könnten. Georg Pirker betonte die Rolle der europäischen Jugendpolitik als Impulsgeberin für Demokratiebildung in non-formalen Bildundungssettings. Er wies er auf die Spannungsverhältnisse zwischen Mobilitätsprogrammen und gezielter Demokratieförderung – sowie auf wachsende Risiken durch demokratiefeindliche Tendenzen und „shrinking spaces“ in verschiedenen europäischen Ländern hin. Strukturen und Finanzierungspfade seien in diesem Bereich vielfach fragil und würden aktuell stärker in Frage gestellt. Die derzeit auf EU-Ebene diskutierte Änderungen und bereits deutliche Fokussierung anderer Prioritäten würden sich auch in Finanzierungsinstrumenten spiegeln können und ab 2028 die Weiterförderung und Umsetzung bestehender und neuer Projekte, die auf Demokratie und soziale Teilhabe zielten gefährden. Auf dem Podium bestand Einigkeit darin, dass Jugendpolitik, Jugendbeteiligung und Jugendbildung europaweit unter Druck stehen – sei es durch politische Verschiebungen, prekäre Förderlogiken oder die Verdrängung jugendpolitischer Themen durch andere Agenden. Beteiligung und Zivilgesellschaft, so wurde formuliert, müssten deshalb gerade in der aktuellen Lage gestärkt und nicht weiter marginalisiert werden. Auf eine Nachfrage aus dem Publikum hin wurde betont, dass Jugendsozialarbeit und politische Bildung stärker zusammengedacht werden sollten – auch dies könne eine Anregung aus der europäischen Praxis sein. Denn der Begriff der Youth Work mache diese Trennung erst gar nicht auf.

Das Fazit der Veranstaltung fiel differenziert aus. Zwar habe sich die europäische Jugendpolitik seit dem Weißbuch der EU-Kommission 2001 positiv entwickelt, insbesondere im Hinblick auf Beteiligung, Mobilität und soziale Rechte und Teilhabe. Doch diese Fortschritte seien nicht selbstverständlich gesichert. Die Fachkräfte aus Jugendhilfe, Verbänden und Zivilgesellschaft seien gefordert, ihre europäische Dimension zu stärken, zugleich brauche es klare politische Weichenstellungen, um demokratische Räume für junge Menschen langfristig zu erhalten und auszubauen.