Rückblick auf die DJHT-Leitveranstaltung „Rechtsentwicklungen: Motor für mehr Gerechtigkeit?!“

Der Fachausschuss I hat während des 16. DJHT die Leitveranstaltung mit dem Titel „Rechtsentwicklungen: Motor für mehr Gerechtigkeit?!“ am Nachmittag des 28. März 2017 verantwortet.


Einleitend trug Prof. Dr. Friederike Wapler (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) vor – ihre Powerpoint-Präsentation ist hier abrufbar, eine Verschriftlichung ihres Vortrags wird im FORUM Jugendhilfe 2/2017 erscheinen.
Moderiert durch den Vorsitzenden des AGJ-Fachausschusses I Dr. Thomas Meysen (Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V.) kam es zu einer lebendigen Diskussion zwischen Podium (Prof. Dr. Friederike Wapler; Prof. Dr. Eckhard Rohrmann - Philipps-Universität Marburg; Prof. Dr. Holger Ziegler - Universität Bielefeld) und Plenum.
Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl (Freie Universität Berlin) gelang es in ihrer Abschlussreflexion die Fäden zusammenzuführen und trotz des Metathemas für die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe greifbar zu machen.    
Allen Beteiligten sei an dieser Stelle herzlich für die Gestaltung dieser lebendigen Fachveranstaltung gedankt!

In der Leitveranstaltung während des 16. DJHTs wurde die Funktion von Recht hinterfragt. Dieses wurde einerseits als Zementierung gesellschaftlicher Werte in Form von Regeln benannt, andererseits wurden Regeln auch als Antrieb für gesellschaftliche Entwicklung identifiziert.

Sehr interessant waren die großen Gegensätze innerhalb des Plenums und Podiums bei der Bewertung von Recht: Teils wurde diesem mit großem Misstrauen als Abbildung von Machtverhältnissen begegnet - es käme eher auf dahinterstehende Prinzipien an, Regularien wurden als Hindernis für Fachlichkeit bezeichnet. Teils wurde es als Operationalisierung, als Motor und Gerüst innerhalb des komplexen gesellschaftlichen Diskurses über das Zusammenleben ausgemacht.

Hervorgehoben wurde, dass Recht nicht auf symbolische Zeichensetzung reduziert werden dürfe und deshalb die Bedingungen für eine Mobilisierung von Recht sehr wichtig seien. Zum einen brauche es Menschen, die Fachkräfte, die sich an Recht halten und dies mit ihrer Fachlichkeit, ihren Werten und ihrer Haltung füllen. Zum anderen müssten Menschen, Fachkräfte wie Adressat/innen, fähig sein, ihre Rechte auch wahrzunehmen. Hierfür brauche es die Kenntnis über Recht und das Bewusstsein, dass Rechte auch durchsetzbar sind. Die Menschen müssten in der Lage sein bzw. in diese versetzt werden, Verfahren/Rechtswege für sich zu nutzen. Sie brauchen das Bewusstsein, dass deren Wahrnehmung auch sozial akzeptiert ist.

Deutlich wurde, dass es unbedingt eines transparenten demokratischen Verständigungsprozesses über Recht bedarf, um sich dem Ziel von Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft überhaupt nur zu nähern und dem Potential von Recht als Machtinstrument etwas entgegenzusetzen. Die Fachkräfte der Sozialen Arbeit seien aufgrund ihrer Profession sowie ihrer Lebens- und Arbeitserfahrung aufgerufen, sich auch politisch aktiv und selbstbewusst für die Belange der Menschen in der Diskussion um Gesetzesänderungen einzusetzen. Der notwendige Verständigungsprozess über Recht beschränke sich aber nicht nur auf Rechtsetzung. Hierfür sei breit - auch informell - bei der Rechtsanwendung, vertieft in der Reflexion von Praxis durch die Wissenschaft und letztlich innerhalb des streng formal geregelten Diskurses im Verwaltungsverfahren oder vor Gericht Raum, der auszufüllen ist.

Zur aktuellen Debatte um die Reform des SGB VIII und die Inklusive Lösung wurden verschiedene Bezüge hergestellt. Art. 3 GG, das AGG, die Reform des JWG zum KJHG/SGB VIII, die UN-BRK wurden als positive Beispiele hervorgehoben, bei denen die Rechtssetzung bzw. -änderung als Motor einer gesellschaftlichen Veränderung (z. B. zum Verbot von Diskriminierungen) gewirkt habe. Kritisch hinterfragt wurden Begrifflichkeiten in der aktuellen Diskussion - z.B. Inklusion, statt Teilhabe wurde selbstbestimmte Entfaltung vorgeschlagen. Das Verhältnis von Fachlichkeit und sehr formalisierenden Hilfeplanungsregeln oder auch der Wert einer programmatischen Verankerung von Ombudschaft wurden angesprochen.

Impressionen aus der Veranstaltung finden Sie hier.