Europäischer Pakt für die Jugend Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe

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Der Europäische Pakt für die Jugend als Teil der Lissabonstrategie

Der Europäische Pakt für die Jugend hat das erklärte Ziel, alle jungen Menschen gesellschaftlich und beruflich zu integrieren und die Rahmenbe- dingung für Familiengründungen zu verbessern. Er wurde im November 2004 von den vier Regierungschefs Frankreichs, Spaniens, Schwedens und Deutschlands ins Leben gerufen und vom Europäischen Rat in Brüssel im März 2005 als fester Bestandteil in die erneuerte Lissabonstrategie, Eu- ropa zum stärksten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, aufgenommen. Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) begrüßt den Europäischen Pakt für die Jugend ausdrücklich, bedeutet dieser doch eine erstmalige jugendpolitische Befassung des höchsten Entscheidungsgremiums der EU und die Verankerung von ausdrücklich jugendspezifischen Zielen in die zentrale längerfristige europäische Politikstrategie von Lissabon. Die AGJ unterstreicht die Notwendigkeit, die Umsetzung und Gestaltung des Paktes auf europäischer und insbesondere auf nationaler Ebene aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe aktiv zu begleiten.

Der Mehrwert des Europäischen Paktes für die Jugend liegt nach Auffas- sung der AGJ darin, jugendpolitische Aspekte in die Umsetzungsverfahren des bis 2010 geplanten Lissabonprozesses einzubinden. Der von den Mit- gliedstaaten verbindlich vereinbarte Prozess sieht vor, die auf mehr Wachstum und Beschäftigung ausgerichteten einzelnen europäischen Ziele (Leitlinien) in nationalen Reformprogrammen zu verfolgen. Das Reformpro- gramm, dass auch von Deutschland für die nächsten drei Jahre aufgestellt wird, muss die jugendpolitischen Forderungen des Paktes einbeziehen. Dies wird insbesondere durch die Leitlinie 18 “einen lebenszyklusbasierten Ansatz in der Beschäftigungspolitik fördern” verdeutlicht. Hier sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Bemühungen zu verstärken, jungen Menschen Beschäftigungspfade zu öffnen und Jugendarbeitslosigkeit abzubauen.

Der Europäische Pakt für die Jugend bietet aus Sicht der AGJ die Chance, mit einem integrierten strategischen Konzept einen jugendpolitischen Querschnittsansatz, wie er auch bereits im Rahmen der jugendpolitischen Zusammenarbeit („Weißbuchprozess“) als notwendig erachtet wurde, auf EU-Ebene zu stärken und politisch zu verankern. Die Einbeziehung der Jugend bei der Umsetzung der nationalen Lissabon-Reformprogramme kann zukunftsgerichtet dazu beitragen, eine stärker an den Bedürfnissen junger Menschen orientierte europäische Gesellschaft zu entwickeln.


Die Umsetzung des Jugendpaktes aus europäischer Sicht

Der Europäische Pakt für die Jugend wurde Ende Mai d. J. durch eine Mit- teilung der Europäischen Kommission stärker operationalisiert. Durch den Pakt soll nach Auffassung der Kommission die nachwachsende Generation und deren Zukunftspotential insgesamt stärker bei den politischen Prozessen der EU berücksichtigt werden, die zu mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung (Lissabonziel) führen sollen.

Die Europäische Kommission schlägt zur konkreten Umsetzung des Paktes insbesondere die Konsultierung von Jugendlichen und jugendpolitischen Strukturen vor und betont die Bedeutung der Einbeziehung jugendpolitischer Dimensionen in andere relevante Politikbereiche.

Für die nächsten drei Jahre wurden im Zusammenhang mit der Lissabon- strategie folgende primäre Handlungsfelder festgelegt:

  • Beschäftigung, Integration, sozialer Aufstieg
  • Allgemeine und berufliche Bildung, Mobilität
  • Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben.

Im Bereich „Beschäftigung, Integration, sozialer Aufstieg“ sollen die Mitgliedstaaten in folgender Richtung tätig werden:

  • die Jugendarbeitslosigkeit verringern,
  • Beschäftigungspfade öffnen,
  • personalisierte Aktionspläne mit Unterstützung bei der Arbeitssuche, Beratung und Weiterbildung entwickeln,
  • die Lage besonders benachteiligter Jugendlicher verbessern, insbesondere der in Armut lebenden Jugendlichen, sowie die Initiativen zur Verhinderung des Schulabbruchs vorrangig zu behandeln.

In der Aktionslinie „allgemeine und berufliche Bildung, Mobilität“ sind die Mitgliedstaaten zu folgendem aufgefordert:

  • Verringerung der Anzahl der Schulabbrecher
  • Verbesserung des Zugangs zur Berufsbildung und -ausbildung, einschließlich der Lehrlingsausbildung und der Vermittlung unternehmerischer Kompetenzen
  • Entwicklung von Rahmenbedingungen zur Unterstützung von Transparenz sowie der Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen und zur Validierung des nichtformalen und informellen Lernens
  • Umsetzung des Europass-Beschlusses durch die  Mitgliedstaaten, mehr Transparenz und Informationen zur Verfügung stellen, um das Arbeiten und Studieren im Ausland zu erleichtern
  • ab 2007 Aktionen zur Verbesserung der geografischen und beruflichen Mobilität Jugendlicher im Zusammenhang mit dem europäischen Aktionsplan Mobilität.

Im Bereich Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben sollen die Staaten mehr zugängliche und erschwingliche Kinderbetreuungseinrichtungen von hoher Qualität sowie entsprechende Möglichkeiten für die Betreuung von anderen abhängigen Personen bereitstellen. Außerdem sollen neue Formen der Arbeitsorganisation entwickelt werden, wie z. B. Gleitzeitarbeit, Telearbeit, Mutterschafts- und Elternurlaub usw.

Die Umsetzung des Jugendpaktes in Deutschland

Damit der Europäische Pakt für die Jugend zur Verbesserung der Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen beiträgt, muss die nationalstaatliche Umsetzung politische und programmatische Realität werden. Die AGJ be- tont die Notwendigkeit einer verstärkten Berücksichtigung junger Menschen im deutschen Lissabonprogramm und unterstreicht die erforderliche Betei- ligung von jugend(hilfe)politischen Strukturen und Jugendlichen an der deutschen Programmplanung und Umsetzung.

Die AGJ empfiehlt bei der nationalen Umsetzung des Europäischen Pakts für die Jugend folgendes zu berücksichtigen:

  • Das Bundesjugendministerium sollte die Umsetzung des Paktes federführend begleiten.
  • Effektive Kommunikations- und Kooperationsstrukturen zwischen Bund und Bundesländern sowie der kommunalen Ebene, die jeweils die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigen, sind notwendig.
  • Eine effektive Beteiligung der Bundesländer an der Umsetzung des Paktes sollte in den Bereichen gewährleistet werden, die in ihrem politischen Verantwortungsbereich liegen.
  • Die ressortübergreifende Zusammenarbeit sollte im Sinne des Paktes gestärkt werden.
  • Im Zuge der Umsetzung des Paktes sollten gemeinsam mit Jugendlichen, Verbänden, Organisationen und Einrichtungen ernst zu neh- mende und politisch wirksame Partizipationsformen entwickelt werden.
  • Die Beteiligung an der Umsetzung des Paktes bedeutet gleichzeitig die Beteiligung an der jährlichen Überprüfung der Umsetzungsfort- schritte der Lissabonstrategie und ggfs. die Festlegung weiterer Handlungsempfehlungen. Das Verfahren sollte seitens der Struktu- ren der Kinder- und Jugend(hilfe)politik begleitet werden.
  • Die Inhalte und Maßnahmen zur Umsetzung jugendpolitisch relevanter Lissabonleitlinien (Jugendpakt) sollten bei der Programmplanung für den zukünftigen ESF-Einsatz in Deutschland sowohl national als auch auf Länderebene in Form von Förderschwerpunkten ausrei- chend Berücksichtigung finden.


Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe Berlin, Juni 2005