Analyse des Zugangs zu Schlüsseldiensten unter der Europäischen Kindergarantie

Ziel der Europäischen Kindergarantie ist es, Armut und soziale Ausgrenzung zu verhindern und zu bekämpfen, indem der inklusive und universelle Zugang von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren zu einer Reihe wichtiger Dienste gewährleistet wird. Der Zugang zu diesen Diensten ist Thema eines Berichts, der kürzlich vom European Social Policy Analysis Network (ESPAN) veröffentlicht wurde. Der Bericht legt dar, inwiefern Kinder und Jugendliche in einkommensschwachen Haushalten in den 27 EU-Mitgliedstaaten:

  • effektiven und kostenfreien Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Bildung und Betreuung, Bildung und schulischen Aktivitäten, einer gesunden Mahlzeit an jedem Schultag und Gesundheitsversorgung haben; sowie
  • effektiven Zugang zu gesunder Ernährung und angemessenem Wohnraum haben.

In Auftrag gegeben wurde der Bericht von der Europäischen Kommission im Zuge der Entwicklung einer Grundlage für das Monitoring der Umsetzung der Europäischen Kindergarantie, die im Juni 2021 von allen EU-Mitgliedstaaten angenommen wurde.

Der Bericht zeigt, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich Mechanismen haben, um sicherzustellen, dass alle Kinder – oder zumindest diejenigen aus einkommensschwachen Haushalten – Zugang zu diesen sechs Diensten haben. Die Mechanismen variieren jedoch erheblich in ihrer Reichweite. Außerdem haben alle 27 EU-Mitgliedstaaten Herausforderungen zu bewältigen, die sich entweder nur auf den Zugang zu einigen Diensten beziehen oder (fast) alle betreffen. Ferner identifiziert der Bericht verschiedene finanzielle und nicht-finanzielle Zugangsbarrieren. Bezüglich der nicht-finanziellen Barrieren hebt der Bericht weitreichende geografische Disparitäten in vielen Ländern hervor, die Zugangsungleichheiten insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Gebieten schaffen. Gleichzeitig konstatiert der Bericht, dass mehr Daten und Analysen erforderlich seien, um zu bewerten, ob die Dienste tatsächlich für alle bedürftigen Kinder in der gesamten EU leicht zugänglich und – wo angebracht – kostenlos sind.

Neben einem vergleichenden Überblick und einer Bewertung der aktuellen Situation in allen 27 EU-Mitgliedstaaten stehen Länderberichte für jeden EU-Mitgliedstaat zur Verfügung. Im Bericht zu Deutschland (alle Länderberichte stehen hier zur Verfügung) wird im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung festgehalten, dass Kinder ab einem Jahr zwar einen Anspruch auf Betreuung haben (kostenlos für Kinder aus einkommensschwachen Haushalten), dieser aber in der Realität vor allem wegen zu wenig verfügbaren Plätzen oft nicht in Anspruch genommen werden kann.

Mit Blick auf Bildung und schulbezogene Aktivitäten konstatiert der Bericht, dass die Kosten in diesem Bereich im Kompetenzbereich der Länder liegen. In Ländern ohne kostenlosen Zugang gebe es die Möglichkeit, Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket zu beziehen, allerdings fehlten Daten, die zeigen, in welchem Umfang diese Leistungen allgemein in Anspruch genommen werden. Mahlzeiten in Schulen seien nicht überall kostenlos oder überhaupt nur erhältlich, oft nur für Schüler*innen in Ganztagesschulen. Kinder aus einkommensschwachen Familien können sich um eine Kostenübernahme der Mahlzeiten bewerben, dies werde aber nicht von allen in Anspruch genommen.

Der Zugang zu Gesundheitsversorgung sei in Deutschland kostenlos für krankenversicherte Kinder. Nichtsdestotrotz gebe es nicht-finanzielle Hindernisse bei der Inanspruchnahme, beispielsweise die Benachteiligung der Versicherten in einer gesetzlichen gegenüber einer privaten Versicherung oder weil Kinder aus einkommensschwachen Haushalte oft in Gegenden lebten, die medizinisch unterversorgt seien aufgrund ihrer ungenügenden Dichte an Kinder- und Hausärzt*innen.

Zugang zu gesunder Ernährung sei in Deutschland insbesondere wegen eines niedrigen Einkommens und fehlenden oder unzureichenden sozialen Transferleistungen eingeschränkt, so der Bericht weiter. Außerdem bedürfe es einer zielgerichteten Bemühung, um die Gesundheitskompetenz von sozioökonomisch schlechter gestellten Familien zu verbessern.

Schließlich konstatiert der Bericht bezüglich angemessenem Wohnraum, dass es in Deutschland Wohngeld gebe für einkommensschwache Haushalte sowie Wohnungszuschüsse für Familien, die keine Sozialleistungen beziehen, gleichzeitig aber nicht genug Einkommen zur Verfügung haben, um die vollen Wohnungskosten zu tragen. Obwohl viele der sechs Millionen von Armut bedrohten Haushalte diese Zuschüsse erhalten, bleibe das Angebot an Sozialwohnungen weit hinter der Nachfrage zurück. Der generelle Wohnungsmangel führe zu einer Benachteiligung von marginalisierten und benachteiligten Gruppen.