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Fortführung der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa ab 2019 – Zwingende Voraussetzungen einer gelingenden europäischen Jugendpolitik!

Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Positionspapier als PDF

Jugendpolitik und -bildung kommt angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Europa und der Welt – dem Aufstieg von Populismus, Demokratiefeindlichkeit und Fremdenhass – eine zentrale Rolle dabei zu, Perspektiven für und mit junge(n) Menschen zu schaffen und das demokratische Bewusstsein und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Auf europäischer Ebene leistet die jugendpolitische Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Jugendstrategie dazu einen wichtigen Beitrag.

Die aktuelle Phase der europäischen Zusammenarbeit im Jugendbereich nähert sich ihrem Ende – Zeit also, das bisher Erreichte zu reflektieren und Empfehlungen für die Fortführung zu geben. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ hat in der Vergangenheit kontinuierlich Stellung zu den verschiedenen Meilensteinen des jugendpolitischen Engagements auf EU-Ebene und den sich entwickelnden Umsetzungsinstrumenten bezogen.[1] Darauf basierend identifiziert das nun vorliegende Positionspapier Gelingensbedingungen für eine Weiterentwicklung der EU-Jugendpolitik nach 2018.

1. Die EU-Jugendstrategie (2010-2018)

Im November 2009 verabschiedete der Rat der Europäischen Union (EU) den „erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018)“, besser bekannt als „EU-Jugendstrategie“. Dieser baut auf den „Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa“ für den Zeitraum von 2002 bis 2009 auf, welcher die „Offene Methode der Koordinierung“ (OMK) im Jugendbereich etabliert hatte. Bei der OMK handelt es sich um ein Kooperationsverfahren der Kommission und der Mitgliedsstaaten, das auf die Erreichung gemeinsam festgelegter Ziele für die EU und das gegenseitige Voneinander-Lernen setzt, gleichzeitig die Alleinzuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten für Jugendpolitik respektiert. Die Mitgliedsstaaten entscheiden also selbst, in welcher Form sie Jugendpolitik und die EU-Jugendstrategie ausgestalten.

Mit der EU-Jugendstrategie werden verschiedene jugendpolitische Aktivitäten und Initiativen der EU unter einem Dach zusammengeführt. Sie stellt damit den vorläufigen Höhepunkt einer graduell intensiver werdenden jugendpolitischen Zusammenarbeit in der EU dar.

Unter den allgemeinen Zielsetzungen, mehr Möglichkeiten und mehr Chancengleichheit für alle jungen Menschen im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen sowie das gesellschaftliche Engagement, die soziale Eingliederung und die Solidarität junger Menschen zu fördern, gibt die EU-Jugendstrategie folgende acht Aktionsfelder als Handlungsrahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit innerhalb der EU vor:

  • Allgemeine und berufliche Bildung
  • Beschäftigung und Unternehmergeist
  •  Gesundheit und Wohlbefinden
  • Partizipation
  • Freiwilligentätigkeit
  • Soziale Eingliederung
  • Jugend in der Welt
  • Kreativität und Kultur.

Die EU-Jugendstrategie sieht einerseits die Förderung explizit jugendpolitischer Maßnahmen (Ressortansatz) vor, verfolgt aber auch einen sektorübergreifenden Ansatz.
Bei der Verfolgung der Ziele der EU-Jugendstrategie werden die Mitgliedsstaaten durch verschiedene Instrumente unterstützt, beispielsweise durch die Schaffung einer Wissens- und Datenbasis für eine erkenntnisbasierte Jugendpolitik, durch die regelmäßige Fortschrittsberichte (v.a. durch den EU-Jugendbericht der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der EU-Mitgliedsstaaten), grenzübergreifendes Peer-Learning[2], den Strukturierten Dialog[3] mit jungen Menschen und mit Jugendorganisationen sowie den Einsatz von EU-Programmen.

Die inhaltlichen Prioritäten bei der Umsetzung der EU-Jugendstrategie werden in Abstimmung mit den jeweiligen Triopräsidentschaften[4] und unter Billigung durch den Rat der Europäischen Union festgelegt. 2014 verabschiedeten die EU-Mitgliedsstaaten zudem erstmals einen Arbeitsplan für den Jugendbereich, der thematische Schwerpunkte insbesondere für die fachliche Arbeit auf europäischer Ebene definierte. Die Arbeit an diesen Themen soll längerfristig zu einer Wissens- und Erkenntnisgrundlage führen, die die europäische Zusammenarbeit im Jugendbereich stärkt und den Mitgliedsstaaten Anregungen für ihr jugendpolitisches Handeln gibt. Auch für den Zeitraum von 2016 bis 2018 wurde ein EU-Arbeitsplan für die Jugend beschlossen. Während der erste Arbeitsplan auf das Thema Beschäftigung ausgerichtet war, steht nun im zweiten Arbeitsplan die Bekämpfung von Radikalisierung und Ausgrenzung junger Menschen, die Förderung der Inklusion in das gesellschaftliche, kulturelle und bürgerschaftliche Leben sowie die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters im Fokus.

Die im März 2016 von der EU-Kommission veröffentlichte externe Evaluierung erlaubt einen ersten Blick auf die Relevanz und Bedeutung der EU-Jugendstrategie. Es lässt sich festhalten, dass die EU-Jugendstrategie zu einer Profilierung des Jugendbereiches auf EU-Ebene geführt und dort jugendpolitischen Anliegen deutlich mehr Sichtbarkeit verliehen hat. Mit der Implementierung der EU-Jugendstrategie konnten in einigen Mitgliedsstaaten die Einführung oder Weiterentwicklung nationaler Jugendpolitiken angeregt und bedeutende fachliche Akzente gesetzt werden. Insbesondere in Ländern, in denen Jugendpolitik bis zum Start der Umsetzung der EU-Jugendstrategie kaum verankert gewesen war, hat die Strategie wichtige Impulse gesetzt und die Entwicklung jugendpolitischer Ansätze, Prinzipien und Strukturen in den Mitgliedsstaaten befördert. Die EU-Jugendstrategie wird von der Mehrheit der befragten (jugend-)politischen Akteure daher grundsätzlich als relevant empfunden.[5]

2. Empfehlungen für die Fortführung der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa ab 2019

Die AGJ ist überzeugt, dass sich die europäische Zusammenarbeit im Jugendbereich als wichtige Initiative zur Stärkung von Jugendarbeit, Jugendpolitik und Jugendhilfe in Europa erwiesen hat und auch über 2018 hinaus fortgeführt werden sollte. Gerade in Zeiten wachsender gemeinsamer Herausforderungen in der EU braucht es ein gemeinsames europäisches Verständnis von Lösungen und Zielen – auch bzw. insbesondere im Jugendbereich. Dieser Notwendigkeit sollte in der neuen Phase der jugendpolitischen Zusammenarbeit Rechnung getragen werden. Dafür lassen sich folgende Gelingensbedingungen identifizieren:

a. Mehrwert und Relevanz der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa noch stärker erfahrbar machen

Die jugendpolitische Zusammenarbeit in der EU hat einen klaren Mehrwert für junge Menschen und jugendpolitische Akteure in allen Mitgliedsstaaten: Sie schafft bzw. schärft das Bewusstsein für die Belange von jungen Menschen, stimuliert fachliche Diskussionen, hilft Ressourcen freizusetzen und gibt politische Impulse für die Bewältigung von gemeinsamen gesellschaftlichen Herausforderungen. Diesen Mehrwert auch weiterhin erfahrbar zu machen und dort, wo möglich und nötig, stärker zu betonen, stellt eine Grundvoraussetzung für eine gelingende jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa nach 2018 dar.

Die europäische Zusammenarbeit im Jugendbereich sollte in zweierlei Hinsicht verstanden werden: einerseits als Verwirklichung eines klaren jugendpolitischen Auftrages und andererseits als Impulsgeberin. Der jugendpolitische Auftrag der EU ist in fünf Bereichen besonders manifest: im Bereich der grenzüberschreitenden Mobilität, in der Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft und des Engagements in und für Europa, in der Weiterentwicklung von youth work, in der Stärkung von Vielfalt und der Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie in der Bewältigung aktueller gesellschaft-licher Herausforderungen. Diese Kernaufgaben jugendpolitischer Zusammenarbeit in der EU sollten ab 2019 noch stärker fokussiert werden. Darüber hinaus kann die europäische Zusammenarbeit im Jugendbereich weitere Anregungen und Impulse liefern, die je nach jugendpolitischem Entwicklungsstand und Bedarf in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich aufgegriffen werden können und auch für den bundesrepublikanischen Kontext zu konkretisieren sind.

b. Die jugendpolitischen Ziele der EU fokussieren

Durch die Staatsschulden-, Banken- und Wirtschaftskrise haben arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Aspekte, insbesondere das Thema Jugendarbeitslosigkeit als dringendes Problem von jungen Menschen in ganz Europa, vermehrt Eingang in die EU-Jugendstrategie bzw. ihre Umsetzung gefunden. Angesichts der einseitigen Priorisierung von Beschäftigung ist es nicht gelungen, die jugendpolitischen Zielsetzungen ausreichend zu profilieren.[6] Damit einher geht das Risiko, dass formale (Aus-)Bildungsprozesse, die v.a. darauf abzielen, die Beschäftigungsfähigkeit von jungen Menschen zu erhöhen, auch weiterhin vorrangig behandelt werden. Eine erfolgreiche EU-Jugendpolitik braucht aber einen ganzheitlichen Ansatz, der Jugendliche nicht nur als (potentielle) Arbeitskräfte betrachtet, sondern ihre Stärken und Interessen fördert und ihnen Zugang zu den vielfältigen Chancen Europas eröffnet. Dafür sind nicht-formale und informelle Lernprozesse besonders wichtig. Die AGJ macht sich deshalb dafür stark, deren Bedeutung innerhalb der EU-Jugendstrategie zu stärken.

Um die jugendpolitische Ziele im politischen Handeln der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zu fokussieren, sind eine verstärkte Koordination und Kohärenz zwischen der EU-Jugend-strategie und anderen jugendrelevanten Politikfeldern auf EU-Ebene unabdingbar. Dazu bedarf es einer stärkeren Verzahnung mit den bildungs-, beschäftigungs-, sozial- und wirtschaftspolitischen Strategien der EU. Dies darf allerdings nicht gleichbedeutend damit sein, dass die EU-Jugendstrategie einen noch stärkeren beschäftigungspolitischen Fokus bekommt. Vielmehr setzt sich die AGJ dafür ein, dass jugendpolitische Belange in der Umsetzung der übergreifenden wirtschafts- und sozialpolitischen Strategien größere Beachtung finden und vermehrt Investitionen in junge Menschen gefördert werden.[7]

c. Balance von Verbindlichkeit und Flexibilität schaffen

Eine tragfähige EU-Jugendstrategie muss sowohl das Bedürfnis nach Planbarkeit als auch den Wunsch nach Flexibilität berücksichtigen. Die lange Laufzeit der EU-Jugendstrategie gewährleistet den zeitlichen Rahmen, der für den Aufbau von Strukturen, Netzwerken und Expertise vonnöten ist, macht die Strategie aber zugleich unflexibel für aktuelle jugendpolitisch relevante Entwicklungen, wie z.B. die Situation Geflüchteter und die Zunahme populistischer, antieuropäischer und rassistischer Strömungen überall in Europa. Die AGJ spricht sich daher für die Beibehaltung einer auf einen längeren Zeitraum angelegten Strategie aus, plädiert aber auch dafür, die Arbeitspläne zielgerichteter als Instrument der EU-Jugendstrategie zu nutzen und besser auf die Themensetzungen der Triopräsident-schaften auszurichten, um auf mittelfristige gesellschaftspolitische Veränderungen adäquat reagieren zu können.

d. Adressatenorientierung, Beteiligung und bottom-up-Ansatz sicherstellen

Die zu fokussierenden Themen sollten nicht einfach politisch gesetzt werden, sondern an den Bedürfnissen der jungen Menschen und der jugendpolitischen Akteure vor Ort ausgerichtet werden. Der zukünftige Rahmen der EU-Jugendstrategie muss dabei auch stärker als bisher die Belange benachteiligter und beeinträchtigter Jugendlicher berücksichtigen. Auch die Unterstützung und Qualifizierung der Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, z.B. durch Mobilitätsmaßnahmen, sollte vermehrt in den Blick genommen werden. Die Fachkräfte haben eine wichtige Multiplikatorenfunktion und schaffen die Unterstützungsstrukturen vor Ort, ohne die die Umsetzung der jugendpolitischen Zusammenarbeit nicht möglich wäre.

Die kommunale Ebene hat in der bisherigen jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa noch nicht genug Berücksichtigung gefunden. Die AGJ fordert daher, dass ein Fokus der EU-Jugendstrategie ab 2019 auf einer Verbesserung der kommunalen Verankerung und Beteiligung sowie auf der Weiterentwicklung entsprechender Governancemodelle liegt. Insgesamt sollte der Trend weg von der Implementierung einer auf EU-Ebene festgelegten Jugendstrategie durch die Träger der Kinder- und Jugendhilfe hin zu einer Koproduktion durch alle relevanten Akteure gehen. Dabei ist darauf zu achten, dass neben dem Transfer „nach unten“ lokale Impulse mit einem bottom-up-Ansatz auf die europäische Ebene getragen werden können. Ebenso wichtig wie die vertikale Erweiterung ist die „horizontale Weiterentwicklung“[8], d.h. insbesondere die verstärkte und systematische Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Akteuren, freien Trägern und Jugendorganisationen im Rahmen eines „Zivilen Dialogs“.[9] Die Verantwortung für eine solche breite Beteiligung verschiedener Ebenen und Akteure liegt einerseits bei den zuständigen jugendpolitischen Entscheidungsträgern in den Mitgliedsstaaten, andererseits tragen auch die Kommunen dafür Verantwortung.

Darüber hinaus sollten alle Instrumente der EU-Jugendstrategie eine breite Beteiligung sicherstellen. Mit Blick auf die Grundideen des Strukturierten Dialogs wird deutlich, dass dieses Beteiligungsinstrument einer fortgesetzten Weiterentwicklung bedarf. Es sollten beispielsweise noch stärkere Anstrengungen unternommen werden, um junge Menschen aus benachteiligten Zielgruppen für die Teilnahme am Dialogprozess zu gewinnen. Auch die Art der Themensetzung und die Feedbackmechanismen der Konsultationen müssen noch verbessert werden. Im Sinne eines bottom-up-Ansatzes bedarf es in Zukunft einer besseren Rückkopplung der lokalen und nationalen Ergebnisse zur europäischen Ebene. Die AGJ fordert, dass die wertvollen Empfehlungen, die der Strukturierte Dialog hervorbringt, von politisch Verantwortlichen stärker wahrgenommen und aufgegriffen werden. Hier bedarf es eines systematischen Follow-up-Prozesses auf europäischer und nationaler Ebene.

e. Information, fachlichen Austausch und Vernetzung weiter ausbauen

Aus der externen Evaluierung der EU-Jugendstrategie geht hervor, dass die EU-Jugendstrategie noch mehr Einfluss entfalten könnte, wenn wesentliche Akteure der Kinder- und Jugendhilfe, wie zum Beispiel Jugendämter und freie Träger, besser über ihre Ziele und Instrumente informiert wären.[10] Daher muss bei einer Fortführung der jugendpolitischen Zusammenarbeit innerhalb der EU ein deutlicherer Akzent auf die Verbesserung des Informationsflusses gelegt werden. In Deutschland spielt die Service- und Transferstelle EU-Jugendstrategie dabei eine zentrale Rolle.

Zudem sollte das Instrument des grenzüberschreitenden Peer-Learnings, insbesondere im Fachkräftebereich, weiterhin genutzt und ausgebaut werden. Peer-Learning-Prozesse haben zum Entstehen formeller und informeller Netzwerke zwischen Politikmachenden, Fachkräften und Jugendlichen geführt und füllen den Begriff jugendpolitischer Zusammenarbeit in Europa so konkret mit Leben. Um dieses wirkungsvolle Instrument der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa noch effektiver nutzen zu können, müssen die strukturellen und fachlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um diese Art des Lernens zu verstetigen und deren Ergebnisse nachzuhalten. Hier ist auch die Kinder- und Jugendhilfe in der Pflicht, Peer-Learning zu einem Bestandteil der fachlichen Qualifizierung (Aus-, Fort- und Weiterbildung) zu machen.[11]
Die AGJ plädiert darüber hinaus für eine noch stärker wissensbasierte Jugendpolitik, um gezielter auf die Bedürfnisse und Lebenslagen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingehen und Veränderungen proaktiv im Sinne der jungen Menschen in Europa herbeiführen zu können. Die EU-Arbeitspläne für die Jugend leisten mit den von ihnen vorgesehenen Studien, Peer-Learning Aktivitäten, Seminaren und Expertengruppen bereits einen wichtigen Beitrag für den Aufbau von Wissen und Fakten zu Jugendthemen. Diesen Wissensaufbau gilt es weiter voranzutreiben. Dementsprechend sollte auch der EU-Jugendbericht mit Blick auf eine weitergehende politische Verankerung, die Festlegung einzelner oder grundsätzlicher Themenschwerpunkte, die Erstellung durch eine unabhängige Sachverständigenkommission, die Schaffung einer wissenschaftlich belastbaren Datenbasis und die Verbesserung der Analysequalität weiterentwickelt werden.[12]

f. Ein solides finanzielles Fundament sicherstellen

Das Gelingen der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa hängt nicht nur von einem stimmigen Gesamtkonzept, sondern auch von einer ausreichenden finanziellen Unterfütte-rung ab. Um der Erkenntnis der externen Evaluation der EU-Jugendstrategie Rechnung zu tragen, dass sich die EU-Jugendstrategie dort als am wirksamsten erwiesen hat, wo sie mit Mitteln hinterlegt war,[13] sollte erwogen werden, die Unterstützung der Umsetzung und Weiterentwicklung der EU-Jugendstrategie in Zukunft mit konkreten Förderprogrammen zu verbinden.
Erasmus+ JUGEND IN AKTION ist derzeit das wichtigste Förderinstrument für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa. Im Rahmen der anstehenden Debatten um die nachfolgende Programmgeneration muss weiterhin die spezifische und ausdrückliche jugendpolitische Ausrichtung von JUGEND IN AKTION innerhalb des Programms Erasmus+ sichergestellt werden. Zudem sollte die Abstimmung zwischen den Prämissen der EU-Jugendstrategie und Erasmus+ JUGEND IN AKTION noch verbessert und der Abbau von bürokratischen Hürden, die gerade Jugendorganisationen und kleineren Trägern im Jugendbereich die Mittelbeantragung erschweren, vorangetrieben werden. Denkbar wäre auch die Schaffung eines spezifischen Förderformats für die Umsetzung der EU-Jugendstrategie innerhalb von Erasmus+ JUGEND IN AKTION.
Auch der Europäische Sozialfonds (ESF) hat eine jugendpolitische Dimension, ohne mit einem explizit jugendpolitischen Label versehen zu sein.[14] Die AGJ spricht sich dafür aus, dass der ESF stärker auf die Aktivierung und Förderung junger Menschen in schwierigen Lebenslagen im Übergang zum Arbeits- und Erwachsenenleben und ihre nachhaltige soziale Integration durch Angebote der Jugendhilfe ausgerichtet wird.

3. Fazit und Ausblick

Die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa fördert u.a. vielfältige Lernerfahrungen von jungen Menschen, Fachkräften und Entscheidern in Politik, Verwaltung und Praxis; sie ist aber selbst auch Ergebnis eines politischen Lernprozesses. Nach sechs Jahren EU-Jugendstrategie kann eine positive Bilanz dieses Lernprozesses gezogen werden, trotzdem gibt es im Hinblick auf bestimmte Aspekte und Instrumente der europäischen Jugendpolitik noch Entwicklungspotential. Dieses Potential auszuschöpfen und die jugendpolitische Zusammenarbeit für die und mit den jungen Menschen Europas voranzubringen, sollte die Zielstellung der Reflexions- und Konzeptionsarbeit der kommenden zwei Jahre bis zum Ende der aktuellen Phase der EU-Jugendstrategie sein.

Die AGJ wird sich konstruktiv in diesen Prozess einbringen. Zentrale Voraussetzungen einer gelingenden Jugendpolitik in Europa nach 2018 sind:

  • Mehrwert und Relevanz: Die europäische Zusammenarbeit im Jugendbereich trägt zu einer stärkeren Sichtbarkeit der Belange von jungen Menschen in Europa bei und fördert den Austausch zwischen jugendpolitischen Akteuren. Diesen Mehrwert gilt es auch weiterhin erfahrbar zu machen. Allen voran im Hinblick auf die Themenfelder „grenzüberschreitende Mobilität“, „Förderung einer aktiven europäischen Bürgers-chaft und des Engagements in und für Europa“, „Weiterentwicklung von youth work“, „Stärkung von Vielfalt und Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlich-keit“ sowie „Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen“ hat die EU einen klaren jugendpolitischen Auftrag, der in Zukunft stärker fokussiert werden sollte.
  • Kohärenz: Die jugendpolitischen Ziele sollten gegenüber beschäftigungs- und wirtschaftspolitischen Aspekten profiliert werden; Jugendpolitik sollte als Quer-schnittsthema erkennbar auch in andere EU-Politikfelder bzw. -strategien wirken.
  • Verbindlichkeit und Flexibilität: Auch für die Zeit nach 2018 sollte es eine, auf einen längeren Zeitraum angelegte Jugendstrategie geben. Zugleich sollte das Instrument der Arbeitspläne zielgerichteter genutzt werden, um auf mittelfristige politische Änderungen flexibel reagieren zu können.
  • Beteiligung: Der künftige Rahmen der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa sollte noch stärker an den Bedürfnissen der jungen Menschen und der jugendpolitischen Akteure vor Ort ausgerichtet werden. Insbesondere benachteiligte und beeinträchtigte junge Menschen sowie die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sollten als Zielgruppen vermehrt in den Blick genommen werden. Eine breite Beteiligung der unterschiedlichen politischen Ebenen und zivilgesellschaftlichen Akteure an der Konzeption und Umsetzung der künftigen EU-Jugendstrategie muss sichergestellt werden.
  • Wissen und Austausch: Die Informationspolitik über die EU-Jugendstrategie sollte europaweit verbessert, Peer-Learning und Jugendforschung ausgebaut werden.
  • Finanzielles Fundament: Eine gelingende europäische Zusammenarbeit im Jugendbereich braucht ein solides, passgerechtes finanzielles Fundament, welches durch Erasmus+ JUGEND IN AKTION, den Europäischen Sozialfonds und ggf. eigene konkrete Förderformate sichergestellt werden sollte.


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 01./02. Dezember 2016
    

[1] Siehe beispielsweise AGJ-Diskussionspapier „Peer-Learning als Instrument der EU-Jugendstrategie“, 29./30. November 2012, online abrufbar unter: web31.server1.hostingforyou.de/fileadmin/files/positionen/2012/Peer_Learning.pdf; AGJ-Stellungnahme „Der zweite europäische Jugendbericht: Mehr als ein beschäftigungspolitischer Fokus?“, 29./30. November 2012, online abrufbar unter: web31.server1.hostingforyou.de/fileadmin/files/positionen/2012/2_Europaeischer_Jugendbericht__2_.pdf; AGJ-Stellungnahme „Erasmus für alle? EU-Programm für eigenständige Jugendpolitik“, 23. Februar 2012, online abrufbar unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2012/ErasmusfuerAlle.pdf ; AGJ-Diskussionspapier „Anforderungen an jugendpolitische Indikatoren als Instrument der EU-Jugendstrategie“, 24./24. November 2011, online abrufbar unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2011/Jugendpolitische_Indikatoren.pdf ; AGJ-Diskussionspapier „Anforderungen an Ausgestaltung, Instrumente und Weiterentwicklung der Europäischen Jugendstrategie 2010-2018“, 02./03. Dezember 2010, online abrufbar unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2010/Jugendstrategie%20%283%29.pdf ; AGJ-Positionspapier „Neue Qualität: Kernempfehlungen zur EU-Jugendstrategie 2010-2018, 01./02. Juli 2009, online abrufbar unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2009/EU-Strategie.pdf ; AGJ-Positionspapier „Zukunftsperspektiven für eine Jugendpolitik in Europa“, 09./10. April 2008, online abrufbar unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2008/Zukunftsperspektiven_Europa.pdf .
[2] Unter Peer-Learning versteht man „einen Lernprozess zwischen Jugendlichen, Politikverantwortlichen sowie Praktikerinnen und Praktikern verschiedener Länder mit dem Ziel, von den Erfahrungen der Beteiligten in vergleichbaren Positionen zu lernen“, AGJ-Diskussionspapier „Peer-Learning als Instrument der EU-Jugendstrategie“, S.2.
[3] Als Beteiligungsinstrument der EU-Jugendstrategie zielt der Strukturierte Dialog darauf ab, die aktive Mitwirkung von Jugendlichen am demokratischen Leben zu fördern. Er beruht auf partizipativen Prinzipien und wird prozesshaft umgesetzt. Aktivitäten im Strukturierten Dialog können in Form von Seminaren, Konferenzen, Konsultationen und anderen Formaten auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene stattfinden. Mehr unter www.strukturierter-dialog.de.
[4] Unter Triopräsidentschaften versteht man die Zusammenarbeit von drei EU-Mitgliedsstaaten, die die Präsidentschaft des Rates der EU nacheinander übernehmen. Diese Mitgliedsstaaten erstellen ein gemeinsames „Achtzehnmonatsprogramm“, um die Arbeitskontinuität zu gewährleisten.
[5] Vgl. EU-Kommission, “Evaluation of the EU Youth Strategy and the Council Recommendation on the mobility of young volunteers across the EU. Final report”, März 2016, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/more_info/evaluations/docs/youth/youth-strategy-2016_en.pdf.
[6] Diese Unterschiede in der wahrgenommenen Wichtigkeit von Jugendpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Bildungspolitik spiegeln sich auch in den Ergebnissen der externen Evaluierung der EU-Jugendstrategie wider. Dort spricht die Mehrheit der Befragten den „klassischen“ Jugendthemen „Kreativität und Kultur“ und „Jugend in der Welt“ deutlich weniger Relevanz zu als beispielsweise den Aktionsfeldern „Beschäftigung und Unternehmergeist“ und „Allgemeine und berufliche Bildung“.
[7] Vgl. auch AGJ-Stellungnahme „Die Strategie Europa2020 – Die Rechte und das Wohlergehen von Kinder und Jugendlichen stärker berücksichtigen!“, vom 25./26. Juni 2015, online abrufbar unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2015/Strategie_Europa_2020.pdf.
[8] Baumbast et al. (2015), „Wissenschaftliche Begleitung der Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland. Abschlussbericht der ersten Projektphase“, S.18.
[9] Der Begriff „Ziviler Dialog“ bezeichnet – analog zum „Sozialen Dialog“ mit den Sozialpartnern und Gewerkschaften – die regelmäßige Beratung von Regierungen bzw. EU-Institutionen mit Organisationen der Zivilgesellschaft zur Politikgestaltung. Der „Zivile Dialog“ umfasst Konsultationen mit festgelegten Mindeststandards, öffentliche Anhörungen, schriftliche Stellungnahmen sowie Internet-Portale.
[10] Vgl. EU-Kommission, “Evaluation of the EU Youth Strategy and the Council Recommendation on the mobility of young volunteers across the EU. Final report”.
[11] Vgl. AGJ-Diskussionspapier „Peer-Learning als Instrument der EU-Jugendstrategie“, 29./30. November 2012, online abrufbar unter: web31.server1.hostingforyou.de/fileadmin/files/positionen/2012/Peer_Learning.pdf.
[12] Vgl. AGJ-Stellungnahme “Der zweite europäische Jugendbericht: Mehr als ein beschäftigungspolitischer Fokus?“, 29./30. November 2012, online abrufbar unter web31.server1.hostingforyou.de/fileadmin/files/positionen/2012/2_Europaeischer_Jugendbericht__2_.pdf.
[13] Vgl. EU-Kommission, “Evaluation of the EU Youth Strategy and the Council Recommendation on the mobility of young volunteers across the EU. Final report”, S. 72.
[14] Vgl. AGJ-Stellungnahme „Europäischen Sozialfonds für Kinder- und Jugendhilfe nutzen!“, 25. April 2012, online abrufbar unter www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2012/Europaeischer_Sozialfonds.pdf.