Demokratie durch Beteiligung junger Menschen stärken
Themenpapier
Anlässlich des 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetags (DJHT) vom 13. bis 15. Mai 2025 in Leipzig werden in diesem Themenpapier die Grundlagen und der Zusammenhang zwischen Demokratieförderung und der Kinder- und Jugendhilfe aufgearbeitet sowie die Forderungen der Arbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendhilfe – AGJ thematisch zusammengefasst.
Junge Menschen und Demokratie
Junge Menschen sind politisch interessiert und engagieren sich vielfältig – insbesondere über Social Media. Dennoch fehlt es an Repräsentanz und strukturellen Beteiligungsmöglichkeiten. Sozioökonomische Faktoren erschweren vielen den Zugang. Demokratie wird grundsätzlich von Kindern und Jugendlichen befürwortet, aber nur ein Bruchteil der jungen Menschen traut staatlichen Institutionen eine funktionierende Umsetzung zu. Demokratische Bildungsangebote sind oft projektbasiert. Es fehlen gesetzlich verankerte Beteiligungsrechte und nachhaltige Strukturen in Schule und Kinder- und Jugendhilfe. Junge Menschen brauchen verlässliche Räume zur Mitgestaltung ihrer Zukunft. Die Kinder- und Jugendhilfe ist Demokratiemotor – sie schafft die Grundlage für echte Teilhabe, Vielfalt und gelebte Demokratie. Sie muss strukturell und finanziell so ausgestattet sein, dass sie junge Menschen stärken, beteiligen und schützen kann – unabhängig von Herkunft oder sozialem Status.
Digitale Teilhabe sichern
Nicht alle jungen Menschen haben die gleichen digitalen Möglichkeiten, sich an gesellschaftlichen Entwicklungen zu beteiligen. Die AGJ fordert einen Digitalpakt Kinder- und Jugendhilfe, der digitale Ausstattung, Zugänge und Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen und Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe stärkt. Digitale Gewalt und Hass schränken Meinungsfreiheit ein. Es braucht präventive und unterstützende Maßnahmen sowie eine klare Verantwortung der Plattformbetreiber. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im sozialen Bereich muss ethisch überprüft und geregelt werden und darf Partizipation nicht gefährden.
Junge Menschen in Ostdeutschland stärken
Viele junge Ostdeutsche fühlen sich benachteiligt. Der gesellschaftliche Wandel wird oft als Bedrohung erlebt. Gleichzeitig gibt es ein wachsendes ostdeutsches Selbstbewusstsein. Das Vertrauen in die Demokratie ist im Osten geringer. Die Kinder- und Jugendhilfe ist ein demokratischer Anker – gerade dort, wo politische Bildung besonders gebraucht wird. Zieht sie sich zurück, überlässt sie das Feld der AfD. Umso wichtiger ist es, in diesen Regionen präsent zu bleiben und Räume für Teilhabe und Demokratieerleben zu öffnen. Politische Bildung und Beteiligung müssen ausgebaut werden. Jugendangebote in ländlichen Regionen müssen gestärkt werden. Und: Fachkräfte, Einrichtungen und Träger benötigen Schutz vor Angriffen von rechts.
Zentrale Forderungen der AGJ
- Politische Teilhabe junger Menschen stärken: Junge Menschen brauchen echte Mitbestimmung auf allen politischen Ebenen. Dafür müssen ihre Beteiligungsrechte gesetzlich verankert werden. Ein Jugendbeirat im Kanzleramt sowie eine Jugendbeauftragter der Bundesregierung sollen ihre Interessen dauerhaft vertreten. Zudem soll das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt und Kinderrechte müssen ins Grundgesetz aufgenommen werden.
- Demokratiebildung und Jugendpolitik stärken: Demokratiebildung muss verlässlich finanziert und strukturell abgesichert sein. Die Eigenständige Jugendpolitik soll ressortübergreifend gestärkt und die Kinder- und Jugendpläne auf Bundes- und Landesebene sollen dynamisch ausgestaltet werden.
- Engagement barrierefrei gestalten: Freiwilligendienste sollen allen offenstehen, unabhängig von Herkunft oder finanzieller Lage. Statt eines Pflichtdienstes für junge Menschen braucht es einen Rechtsanspruch auf sowie bessere Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste. Die Juleica soll bundesweit anerkannt und mit Anreizen wie kostenlosem ÖPNV verknüpft werden.
- Fachkräfte und Träger schützen: Demokratisch engagierte Fachkräfte und Träger benötigen verlässliche Schutzstrukturen, klare Rückendeckung von Politik und Verwaltung und konkrete Maßnahmen gegen Bedrohungen von rechts.
- Digitale Teilhabe sichern: Ein Digitalpakt für die Kinder- und Jugendhilfe soll Geräte, Netzzugang und digitale Bildung für alle sichern. Medienkompetenz muss systematisch gefördert und Hassrede im Netz effektiv bekämpft werden.
- Ostdeutschland gezielt stärken: Die Kinder- und Jugendhilfe in Ostdeutschland muss mit passgenauen Beteiligungsformaten, Infrastrukturförderung und Schutzmaßnahmen gestärkt werden. Regionale Perspektiven und Transformationsprozesse sind dabei zu berücksichtigen.
- Europa erlebbar machen: Europäische Bildungs- und Austauschprogramme sollen für alle jungen Menschen zugänglich gemacht und niedrigschwellig gestaltet werden.
Auf den Punkt
Demokratie lebt von Teilhabe und Beteiligung. Durch den demografischen Wandel ist die Teilhabe junger Menschen bedroht. Die AGJ fordert verbindliche politische Maßnahmen, damit Kinder und Jugendliche ihre demokratischen Rechte wahrnehmen können – digital, analog, lokal und europaweit.
Weiterführende Literatur:
- Albert, M./Quenzel, G./de Moll, F. et al. (2024): Jugend 2024 – 19. Shell Jugendstudie. Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt. Weinheim/Basel, S. 44.
- Deutsches Jugendinstitut (2023): AID:A – Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten 2023,
- Henschelmann, K.-P./Meijer, L./Sauermann, P. unter Mitarbeit von Kroiß, A.-L./Sarnau, D. (2024): Standardisierte Online-Erhebung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen von 16 bis 27 Jahren. Teilbericht 4 des Projekts
„Ermittlungen von Bedarfslagen im Bereich Demokratieförderung und Extremismusprävention“. Deutsches Jugendinstitut (Hg.), München, Online unter: www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/96518/ssoar-2024- henschelmann_et_alStandardisierte_Online-Erhebung_mit_Jugendlichen_und.pdf?sequence=1 [Zugriff am 24.3.2025]. - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2024): 17. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Berlin, Online unter: www.bmfsfj.de/resource/blob/244626/b3ed585b0cab1ce86b3c711d1297db7c/17- kinder-und-jugendbericht- data.pdf [Zugriff am 24.3.2025].
- Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2024): Leitlinien der AGJ zum Umgang mit der AfD und anderen rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Akteuren. Online unter: www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2024/AGJ-Leitlinien_zum_Umgang_mit_der_AfD.pdf [Zugriff am 24.3.2025].