Anforderungen an Fort- und Weiterbildung als ein Steuerungsinstrument der Personal- und Qualitätsentwicklung

Anforderungen an Fort- und Weiter- bildung als ein Steuerungsinstrument der Personal- und Qualitätsentwicklung

Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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Sozialpädagogische Fort- und Weiterbildung dient grundsätzlich dazu, die Qualifikation der Fachkräfte zu erhalten und zu erweitern und damit zur weiteren Professionalisierung der Kinder- und Jugendhilfe beizutragen. 

Wurde Fort- und Weiterbildung in der Vergangenheit von Fachkräften meist eigenständig und punktuell mit Blick auf ihre persönliche und berufliche Weiterentwicklung nachgefragt, gehört sie heute oftmals zur Gesamtstrategie von Einrichtungen, die sich neuen fachlichen Anforderungen gegenübersehen. Der gestiegene Bedarf an Qualifizierungsmöglichkeiten für einen kontinuier-lichen berufsbegleitenden Wissenserwerb ist Ausdruck der Notwendigkeit von Personalentwicklung auch im Sinne lebenslangen Lernens. Zugleich muss Fort- und Weiterbildung den Umbau von Strukturen begleiten und organisationsumfassende Veränderungsprozesse mitgestalten. Damit ist Fort- und Weiterbildung nicht nur ein Mittel für fachliche und normative Personalentwicklung sowie für Qualitätssicherung, sondern auch ein wichtiges Steuerungsinstrument im Hinblick auf die fachliche und strukturelle Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. 

Vor dem Hintergrund der vielfältigen Aufgaben und Funktionen von Fort- und Weiterbildung – etwa der eines Impulsgebers für Reflexion und Innovation von Praxis – konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf den Aspekt der Fort- und Weiterbildung als Steuerungsinstrument der Kinder- und Jugendhilfe. 

Mit dem vorliegenden Papier liefert die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ eine grobe Skizze der Fort- und Weiterbildungslandschaft für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Neben Anlässen, Anbietern und Formaten sozialpädagogischer Fort- und Weiterbildung werden Bedingungen für Nachhaltigkeit, etwa für den Transfer erworbener Kompetenzen und Kenntnisse in die Praxis, diskutiert. Schließlich listet das Papier aktuelle Herausforderungen hinsichtlich der Qualifizierungskonzepte, zu Kosten- und Nutzenaspekten sowie zu Fragen der Qualität auf. 


1. Einführung

Es steht außer Zweifel, dass sich die Kinder- und Jugendhilfe steigenden gesellschaftlichen Herausforderungen stellt. Den entsprechenden Professionalisierungsanforderungen muss nicht allein die Qualifizierung zukünftiger Fachkräfte gerecht werden, sondern selbstverständlich müssen Fachkräfte und Einrichtungen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen entsprechend aktiv nutzen und mitgestalten. Auch im Zusammenhang mit dem bereits einsetzenden Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe liegt es im gesteigerten Interesse von Anstellungsträgern, ihren Beschäftigten Möglichkeiten zur Weiterentwicklung zu bieten und gleichzeitig deren Einsatzfähigkeit im Sinne von Flexibilität zu steigern. 

Der Fort- und Weiterbildungsmarkt für die Kinder- und Jugendhilfe ist in der letzten Zeit sowohl im Umfang als auch in der Angebotsvielfalt gewachsen. Die Etats für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind tendenziell gestiegen, an den reichhaltigen Programmen von Bildungsanbietern lassen sich Themenkonjunkturen (beispielhafte Stichworte: „Neue Steuerung“, Interkulturalität, Inklusion und Kinderschutz) ablesen. Es mangelt jedoch an gesteuerten Prozessen für einen nachhaltigen Nutzen von Fort- und Weiterbildung, insbesondere für den Transfer der erworbenen neuen fachlichen Erkenntnisse und Kompetenzen in die Praxis. 

Im Folgenden werden „Fortbildung“ und „Weiterbildung“ in Anlehnung an die Definitionen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)[1] diskutiert, wobei eine strikte Trennung aufgrund des vermischenden Alltagsgebrauchs beider Begriffe und der tatsächlichen semantischen Überlappung nicht möglich sein wird.

Weiterbildung als vierte Säule des Bildungssystems (neben Schulen, Betrieben, Hochschulen) stellt die Fortsetzung oder die Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer Bildungsphase und zwischenzeitlicher Berufstätigkeit dar. Es wird zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung unterschieden. Zur beruflichen Weiterbildung gehören in erster Linie die berufliche Fortbildung sowie die berufliche Umschulung[2]. 

Berufliche Fortbildung dient dazu, berufliche Qualifikationen zu erhalten und fachlich angepasst zu erweitern. Nach Lern- und Entwicklungszielen zu unterscheiden sind etwa Anpassungs- und Aufstiegsfortbildungen. Für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe ebenso wichtig sind Fortbildungsmaßnahmen, die auf die Weiterentwicklung personaler Kompetenzen gerichtet  sind. 


2. Fort- und Weiterbildungsangebote für die Kinder- und Jugendhilfe 

Bei den Fort- und Weiterbildungsangeboten für die relevanten Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe herrscht eine große Unübersichtlichkeit. Es besteht ein Neben- und Miteinander von privaten und staatlichen, von gemeinnützigen und gewinnorientierten sowie von betrieblichen und öffentlichen Bildungseinrichtungen und -angeboten. Neue Qualifikations-anforderungen und Akademisierungstendenzen, rechtliche Veränderungen und Fachkräftemangel sowie allzu spezialisierende Ausbildungen haben zu einem Anstieg von Fort- und Weiterbildungsaktivitäten in diversen Formaten geführt. 


2.1 Anbieter 

Die staatliche Zuständigkeit für die Fort- und Weiterbildung liegt überwiegend auf der Länderebene, eine systematische Analyse der Anbieter ist auf der Basis einer bundesweiten Statistik vor diesem Hintergrund nicht möglich.[3] Die Suchmaschine des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) zu Weiterbildungskursen hilft zwar Einzelnen bei der Suche nach einem passenden Fort- und Weiterbildungsangebot, eignet sich aber aufgrund von Mehrfachnennungen und nicht immer eindeutigen Zuordnungen nicht als Basis für die Erstellung eines Überblicks über das Angebot für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.[4] 

Die Anbieter von Fort- und Weiterbildungen unterscheiden sich sehr stark. Neben Landesjugendämtern und solchen öffentlichen Trägern, die in Form von Landeseinrichtungen entsprechende Angebote vorhalten, betreiben auch Fachverbände, Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege und Gewerkschaften eigene Fort- und Weiterbildungseinrichtungen beziehungs-weise organisieren gezielt Fort- und Weiterbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe zu spezifischen Themen.

Einzelpersonen, die Fort- und Weiterbildungen in Ergänzung etwa zu einer psychotherapeutischen oder beratenden Tätigkeit anbieten, sind ebenso zu finden wie  kleine private Institute, die sich thematisch fokussiert haben. Es gibt auch größere Weiterbildungsinstitute, die zum Teil eine Spezialisierung auf pädagogisch-psychologische Themen vorweisen und auch Fort- und Weiterbildungen für unterschiedliche berufliche Handlungsfelder anbieten. 

Darüber hinaus bieten die Fach- und Hochschulen beziehungsweise mit ihnen verbundene Ausbildungsinstitute seit einigen Jahren berufliche Weiterqualifikationen verstärkt in Ergänzung ihres Bildungsprofils an und nutzen sie als Einnahmequelle, da sie lukrativ und nicht kapazitätswirksam sind. 

Außerdem gibt es international ausgerichtete Anbieter, wobei deren Rolle in Deutschland bislang als eher klein einzuschätzen ist. Dies ist unter anderem auf die großen Strukturunterschiede der Kinder- und Jugendhilfesysteme der einzelnen Staaten zurückzuführen. 

2.2 Anlässe

Durch Veränderungen von Qualifikationsanforderungen werden regelmäßig Weiterbildungsaktivitäten beim Personal der Kinder- und Jugendhilfe ausgelöst. Exemplarisch zu nennen ist hier die Formulierung besonderer Anforderungen an Fachkräfte, die mit Säuglingen und Kleinkindern bis zu einem Alter von drei Jahren arbeiten. Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) bündelt diese Aktivitäten. 

Gesetzliche Festlegungen hinsichtlich spezifischer Qualifikationserwartungen führen ebenfalls zu Weiterbildungsaktivitäten. Ein Beispiel hierfür ist die Festlegung des nordrhein-westfälischen Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) von 2008, nach der für die Arbeit als „pädagogische Fachkraft“ im Krippenbereich mindestens eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher mit Fachschulabschluss notwendig ist. Um den Übergang der Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger sowie der Sozialassistentinnen und Sozialassistenten hin zu „pädagogischen Fachkräften“ zu erleichtern, bietet das Landesministerium über verschiedene Bezirksregierungen Nachqualifizierungen an.

Im Bereich der Kindertagespflege sind ebenfalls zahlreiche Weiterbildungs-aktivitäten beobachtbar, da inzwischen eine Mindestqualifikation für die Erteilung einer Pflegeerlaubnis vorausgesetzt wird (siehe Curriculum "Qualifizierung in der Kindertagespflege" des Deutschen Jugendinstituts).

Auch die Forderung nach der Hinzuziehung einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“ nach § 8a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) löste eine Qualifizierungswelle aus. 

Ein  weiterer Anlass für Fort- und Weiterbildung beziehungsweise Umschulung ergibt sich, wenn in den Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe ein quantitativer oder qualitativer Fachkräftebedarf besteht. Dies ist insbesondere im Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung der Fall; hier ist in den letzten Jahren die Tendenz zu beobachten, für nicht einschlägig qualifizierte Personen den „qualifizierten Seiteneinstieg“ zu ermöglichen. 

Auch die Diskussionen über eine Akademisierung von Erzieherinnen und Erziehern können als ein Impulsgeber für Weiterbildungsanstrengungen gewertet werden. Inzwischen gibt es sowohl Präsenzstudiengänge in Vollzeit, die sich gezielt an Erzieherinnen und Erzieher wenden, als auch berufsbegleitende Studiengänge beziehungsweise „Weiterbildungsmaster“.

Ein weiterer Grund für die verstärkte Nachfrage nach Fort- und Weiterbildung mag im Trend zu spezialisierender Ausbildung liegen: Die Absolventinnen und Absolventen solcher Ausbildungsgänge könnten dazu gezwungen sein, einzelne Qualifizierungen, die im Rahmen generalistischer sozialpäda-gogischer Ausbildungen vermittelt werden, in einer Art „Fortbildungsschleife“ nachzuholen.  


2.3 Formate 

Zum Einsatz diverser Fortbildungskonzepte und -formate in der Kinder- und Jugendhilfe liegen kaum systematische Daten vor, so dass es auch hier sehr schwer ist, empirisch abgesicherte Aussagen zu machen. Bekannte Formate sind ein- oder mehrtägige Seminare, Tagungen, Workshops, Fortbildungsreihen, abschlussbezogene Weiterbildungen, Beratung und Coaching, Gruppen- und Tandemfortbildungen sowie sogenannte Inhouse-Maßnahmen. 

Zunehmend unterbreiten Bildungsträger im Fort- und Weiterbildungsbereich auch Angebote für E-Learning beziehungsweise Blended Learning[5]7, die überregional breite Zielgruppen erreichen können und teils mit einem Zertifikat abschließen.

Aus Gesprächen mit Personalverantwortlichen scheinen folgende Trends erkennbar: Aufgrund der vielen ungelösten Fragen hinsichtlich des Wissenstransfers von Fortbildungen in die Praxis (siehe Kapitel 3.2) und aufgrund von finanziellen Überlegungen haben (meist eintägige) Inhouse-Maßnahmen an Bedeutung gewonnen. Damit verbunden ist die Hoffnung, so unter Vermeidung von Schließzeiten möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen einen positiven Fortbildungseffekt zu ermöglichen, den Transfer des neu gelernten unter Berücksichtigung der Spezifika vor Ort in den Alltag zu erleichtern und zur Teamstärkung beizutragen. Inhouse-Maßnahmen werden vor allem in den Bereichen Kindertagesbetreuung und Allgemeiner Sozialer Dienst eingesetzt.

Auch werden sogenannte Tandemfortbildungen, etwa in Kooperation zwischen Jugendamt und Schulbehörde, forciert. Diese Tandemfortbildungen bauen darauf, dass Partner an Schnittstellen sich gemeinsam weiterqualifizieren, die jeweils andere Praxis kennenlernen und zu einem besseren Verständnis füreinander gelangen, was wiederum die gesamte Kooperation verbessern soll. Die Überschreitung anderer struktureller „Grenzen“ (etwa zwischen Jugend- und Gesundheitsamt) wird allerdings als durchaus schwierig erlebt. Sowohl Tandemfortbildungen als auch Gruppenmaßnahmen sind alles andere als voraussetzungslos, sie bedingen eine gute Vorbereitung aller Beteiligten.


3. Bedingungen für gelingende Fort- und Weiterbildung

Fort- und Weiterbildung bringt vielfältigen Nutzen: Zum einen werden persönliche und fachliche Kompetenzen sowie berufliche Perspektiven der sich Fortbildenden gefördert. Ein Nutzen ergibt sich auch aus der Perspektive der Träger der Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere hinsichtlich der Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität des Angebotes und der Bereitstellung von qualifiziertem Personal. Schließlich zeigt sich der Nutzen auch aus der Perspektive der Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe: So ist beispielsweise eine fachlich qualifizierte Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern nicht möglich, wenn Träger und Personal die aktuellen Entwicklungen in der Elementarpädagogik nicht im Auge behalten. Voraussetzung dafür ist, dass der in Fort- und Weiterbildung erworbene Kompetenzzuwachs Eingang findet in die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe. 


3.1 Bestandteil von Personal- und Qualitätsentwicklung

Nach Auffassung der AGJ ist Fort- und Weiterbildung dann besonders wirksam, wenn sie integraler Bestandteil von Personal- und Qualitätsentwicklung des Anstellungsträgers ist. Entsprechende Bedingungen für gelingende Fort- und Weiterbildung sind:

  • zielorientiertes Arbeiten des Trägers;
  • Entwicklung der Ziele möglichst unter Mitwirkung zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so dass sie allen bekannt und von allen anerkannt sind;
  • Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Entwicklung des Fort- und Weiterbildungskonzeptes;
  • Betriebsklima, das deutlich werden lässt, dass Fort- und Weiterbildung ein  „gewinnbringendes Plus“ für alle Akteure ist;
  • Fort- und Weiterbildung als wichtiger, anerkannter Standard der Personalentwicklung, vom Anstellungsträger gewollt und finanziell unterstützt;
  • klar definierte und mit der Mitarbeitendenvertretung abgestimmte Rahmenbedingungen für die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungs-veranstaltungen;
  • Teilnahmeverpflichtung nur in Ausnahmefällen;
  • Einsatz von Steuerungs- und Klärungsinstrumenten für die Motivation für Fort- und Weiterbildung (insbesondereMitarbeitendengespräche zu entsprechenden Ziel- und Leistungsvereinbarungen);
  • ein auf Teamebene / in Arbeitseinheiten selbstverantwortetes Budget für Fort- und Weiterbildung.


3.2 Transfer in die Praxis

Vor dem Hintergrund der Zwänge des Berufsalltags ist es aber auch erforderlich, rationelle Lösungen zu entwickeln, um den Transfer des Kompetenzzuwachses in die Praxis möglichst ohne weitgehende zusätzliche Belastungen sicherzustellen. Nach Auffassung der AGJ teilen sich Mitarbeitende, Anstellungsträger und Fortbildner die Verantwortung dafür: 

Fort- und Weiterbildung ist für die Mitarbeitenden notwendiger Bestandteil einer – auch persönlichen – Strategie für ein lebenslanges Lernen. Bei gelingendem Transfer in die Praxis ist sie zugleich eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes. Es ist daher im Sinne der Träger der Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu unterstützen. Daraus ergibt sich auch die Mitverantwortung der Teilnehmenden für einen Transfer des in der Fort- und Weiterbildung erworbenen Wissens in die betriebliche Praxis.

Der Anstellungsträger muss die Rahmenbedingungen für den Transfer so gestalten, dass der Mitarbeiter beziehungsweise die Mitarbeiterin auch die Gelegenheit hat, die erworbenen neuen fachlichen Erkenntnisse und Kompetenzen in der Praxis anzuwenden. 

Schließlich sind auch die Fortbildner in der Verantwortung für einen gelingenden Transfer, das heißt Fort- und Weiterbildung sollte möglichst so konzipiert sein, dass die Umsetzung in den Alltag Bestandteil der Maßnahme ist.

Beispiele für die Begünstigung von Transfer in die Praxis:

  • Erprobung des erworbenen Wissens beziehungsweise der methodischen Kompetenzen bereits in der Fortbildung durch „Simulation“ unter alltagspraktischen Bedingungen
  • In der  Fortbildung werden bereits konkrete Implementierungsaufträge erteilt.
  • In zusätzlichen Reflexions- oder Folgetagen werden Probleme der alltagspraktischen Anwendung der erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen zusammengetragen, bewertet und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.
  • Bei umfänglicheren Fortbildungen zur Umsetzung fachlich neuartiger Methoden ist es besonders hilfreich, wenn speziell fortgebildete Fachkräfte (Mentoren und Mentorinnen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren) den Transfer erworbener Kenntnisse und Kompetenzen in die Alltagspraxis unterstützen.
  • Erforderlich können zusätzliche Informationen, gegebenenfalls auch Fortbildungen für Leitungskräfte sein, um die alltäglichen (organisatorischen, kulturellen) Gelingensbedingungen für eine Implementierung neuartiger methodischer Ansätze und ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten für eine Unterstützung des Transfers schaffen zu können.
  • Inhouse-Fortbildungen ganzer Teams erscheinen gleichfalls geeignet, um erwartete Hindernisse eines Transfers frühzeitig thematisieren und möglicherweise abbauen zu können.

3.3 Transferunabhängiger Nutzen von Fort- und Weiterbildung

Der Transfer erworbener Kompetenzen ist jedoch nicht in jedem Fall ein Gradmesser für den Nutzen von Fort- und Weiterbildung. Bei umfassenden Weiterbildungen, die im Sinne der Personalentwicklung auf neue Tätigkeitsfelder vorbereiten (zum Beispiel Master- und Aufbaustudiengänge) oder wenn ein Transfer an einer „unzureichenden“ konzeptionellen Grundlage der Praxis oder an einer spezifischen Organisationskultur scheitert, bleibt Fortbildung dennoch Impulsgeber zur Veränderung von Praxis.

Insgesamt ist aus Sicht der AGJ der Eindruck zu vermeiden, Fort- und Weiterbildung sei ausschließlich bei gelingendem Transfer in die Praxis vor dem Hintergrund von Personal- und/oder Qualitätsentwicklung sinnvoll. „Gute“ Fortbildung fördert (oder erhält) auch unabhängig davon die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen sowie Kompetenzen und Potenziale der Teilnehmenden, sich auf neue fachliche Entwicklungen einstellen zu können. Dies ist generell – neben der aktuellen „Verwertung“ individueller Kompetenzen – eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des jeweiligen Arbeitsfeldes. 
 

4. Aktuelle Herausforderungen

Jenseits bereits genannter anlass- und themenbezogener Schwerpunkt-setzungen findet nach Einschätzung der AGJ die dauerhaft und strukturell zu verankernde Funktion von Fort- und Weiterbildung als Steuerungsinstrument bislang zu wenig Beachtung. Hier muss die Kinder- und Jugendhilfe Herausforderungen bezüglich der Qualifizierungskonzepte, der Kosten- und Nutzenaspekte sowie der Qualität annehmen. 

Fortbildungsbedarfe ermitteln: Um mittels Fort- und Weiterbildung sowohl das Personal auf immer komplexer werdende Anforderungen vorbereiten als auch die eigenen strategischen und operationalen Ziele erreichen zu können, stehen die Träger der Kinder- und Jugendhilfe in der Verantwortung, den jeweiligen Kompetenzbedarf zielgenau zu ermitteln. 

Fort- und Weiterbildung an Ausbildung anschließen: Im Zusammenhang mit der veränderten Ausbildungssituation wird der Gestaltung der Berufseinmündungsphase zunehmend Bedeutung beigemessen, um den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern den Übergang zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem zu erleichtern.6 In diesem Prozess kommt den Trägern von Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe zunehmend Verantwortung zu. Sie sind aufgerufen, gemeinsam mit Institutionen der Aus-, Fort- und Weiterbildung entsprechende Konzepte zu entwickeln und zum Beispiel den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern erfahrene und entsprechend weitergebildete Fachkräfte als Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter zur Seite zu stellen sowie den Berufseinstieg bei Bedarf durch Angebote zur supervisorischen Begleitung zu unterstützen. 

Durchlässigkeit schaffen und Anerkennung abstimmen: Die Durchlässigkeit von Bildungswegen und die Anerkennung von Qualifikationen, die außerhalb von Schulen, Betrieben und Hochschulen erworben wurden, sind in Deutschland nach wie vor gering ausgeprägt. Die Probleme, die Tagespflegepersonen hinsichtlich der Anerkennung ihrer Qualifikation haben, wenn sie von der Zuständigkeit eines Jugendamtes zu der eines anderen wechseln, obwohl sich fast alle Jugendämter an dem Curriculum „Qualifizierung in der Kindertagespflege“ des Deutschen Jugendinstituts orientieren, verdeutlichen dies exemplarisch. 

Aufstiegsfortbildungen und Umschulungen adäquat bewerten: Im Kontext von Personalentwicklung sind insbesondere solche Fort- und Weiterbildungsangebote von Bedeutung, die der vertikalen Durchlässigkeit dienen und die Fachkräfte für neue Aufgaben und Anforderungen auf höher dotierten Stellen qualifizieren. Gerade in diesem Segment ist eine zunehmende Vielfalt unterschiedlicher Bildungsträger zu beobachten, die auch die Hochschulen einschließt. Die Wertigkeit der zahlreich ausgestellten Zertifikate ist im Hinblick auf die personalrechtlichen und fachlichen Erfordernisse jedoch wenig einheitlich und transparent. Vor diesem Hintergrund ist die Praxis auf Herausforderungen, die sich insbesondere aus der bevorstehenden Umsetzung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) stellen dürften, noch weitgehend unvorbereitet.

Non-formale Fort- und Weiterbildung berücksichtigen: Insbesondere ist offen, wie Befähigungen, die Fachkräfte jenseits formaler Qualifikationen und formeller Fort- oder Weiterbildung erworben haben, festgestellt und im Hinblick auf die Zuordnung zu einer Niveaustufe im DQR zukünftig gewichtet werden sollen.  

Fort- und Weiterbildung ermöglichen: Die Fort- und Weiterbildungs-landschaft in Deutschland ist nicht nur durch eine Angebotsvielfalt und eine heterogene Trägerlandschaft, sondern auch durch unterschiedliche Finanzierungsmodelle (maßgeblich Länder, Kommunen, Europäischer Sozialfonds als Arbeitsmarktinstrument) geprägt.

Da die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen immer seltener (nur) auf individuelle Entscheidungen der Fachkräfte zurückgeht, sondern Bestandteil einer Gesamtstrategie ihrer Anstellungsträger ist, müssen diese in den Stand gesetzt werden, die Voraussetzungen hierfür bereitzustellen. Ein häufig angewendetes Modell ist die Bereithaltung von Pro-Kopf-Qualifizierungs-pauschalen. Anstellungsträger sollten sich insbesondere durch die ausreichende und entgeltliche Freistellung ihrer Mitarbeitenden für die Fort- oder Weiterbildungen beteiligen. Möglich ist auch eine Kostenbeteiligung durch den Anstellungsträger, die mit einer zeitlich begrenzten Bleibeverpflichtung des Arbeitnehmers beziehungsweise der Arbeitnehmerin gekoppelt werden kann, um der Gefahr des Ausscheidens unmittelbar nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung entgegenzuwirken. Ferner bietet der TVöD den Kommunen besondere Möglichkeiten, eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Investition von Freizeit und eine (konditionierte) Finanzierung durch den Anstellungsträger vorzusehen und umzusetzen. 

Fort- und Weiterbildung belohnen: Es gibt wenig systematisch aufbereitetes Wissen über die Effekte von Fort- und Weiterbildungsaktivitäten im Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe im Hinblick auf berufliche Aufstiegschancen beziehungsweise auf eine Verbesserung der Arbeitssituation. Personalentwicklungskonzepte müssen jedoch neben der (entgeltrelevanten) Anerkennung von Qualifizierungen auch andere Formen der institutionellen Belohnung und weitere konkrete Antworten auf die Frage bereithalten, was Mitarbeitende von der Teilnahme an Fort- beziehungsweise Weiterbildung haben. 

Qualität von Maßnahmen sicherstellen: In ähnlicher Weise wie sich etwa Ausschreibungspraktiken und Anerkennungsstrukturen (so bei der zunehmenden Zertifizierung von Weiterbildungen durch privatwirtschaftliche Anbieter) ändern, vollzieht sich ein Wandel der Kriterien guter Qualität. Qualitätssicherung und entsprechende Transparenz gewinnen vor dem Hintergrund veränderter Zielgruppen und sinkender öffentlicher Förderung an Bedeutung. 

Die AGJ begrüßt Bemühungen um Grundlagen und Standards zur Qualität von Fort- und Weiterbildung, wie sie etwa die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) und die Werkstatt Weiterbildung für den Bereich der Elementarpädagogik anstreben.[7] Im Gegensatz dazu werden im Rahmen von Zertifizierungsverfahren der Bundesagentur für Arbeit nach Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZWV) auch Bedingungen als qualitätssichernd angesehen, die für die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nur bedingt eine Rolle spielen. Vielmehr sollten Weiterbildungsträger die Eignung der Fortbildnerinnen und Fortbildner im Sinne von Berufserfahrung, praktischer Erfahrungen im Fachgebiet und in der Erwachsenenbildung sowie deren methodisch-didaktische Qualifikationen regelmäßig nachweisen müssen. 


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 24./25. November 2011

 

[1] www.bibb.de/de/15832.htm
[2] Berufliche Umschulung erfolgt in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder nach besonderen Ausbildungsregelungen unter anderem für behinderte Menschen. Vorausgesetzt wird eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Berufserfahrung. 
[3] Vgl. Weiß, Christina; Horn, Heike (2011): Weiterbildungsstatistik im Verbund 2009 – Kompakt (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen) (http://www.die-bonn.de/doks/2011-weiterbildungsstatistik-01.pdf). 
[4] Im November 2011 gab es bei der Suche nach Fort- und Weiterbildungsangeboten mit dem Stichwort „Jugendhilfe“ 385 Treffer. (Vgl. www.iwwb.de)
[5] Präsenzlehre mit Online-Anteilen 
[6] Vgl. Berufseinmündung in der Sozialen Arbeit: Gemeinsame Verantwortung von Hochschulen und Anstellungsträgern. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (29./30. September 2010)
[7] Vgl. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) in Kooperation mit der Werkstatt Weiterbildung e.V. (2011): Qualität in der Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen – Grundlagen und Standards – Ergebnis der Expertengruppe, Lesefassung.