Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe

Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe

Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Positionspapier als PDF

Die Diskussion über den Arbeitsmarkt der Kinder- und Jugendhilfe war in letzter Zeit insbesondere von zwei Inhalten beherrscht. Zum einen wird diskutiert, ob es Tendenzen hin zur Prekarisierung von Beschäftigungs-bedingungen gibt, zum anderen stellt sich die Frage, ob die Absolventinnen und Absolventen der neuen Studiengänge, insbesondere diejenigen mit Bachelorabschluss, Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben. Derzeit ist zu beobachten, dass diese Diskussion überlagert wird durch den bereits bestehenden oder zukünftig zu erwartenden Fachkräftemangel, wobei es durchaus Verbindungen zu den bereits genannten Themen gibt. Mit dem vorliegenden Positionspapier beleuchtet die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ die Situationen bezüglich des Fachkräftemangels in verschiedenen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, erläutert Strategien und Maßnahmen und benennt Herausforderungen für Aus- und Fortbildung, Anstellungsträger und Politik. 


1. Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe: Aktuelle Situation und Ursachen 

Die sozialen Berufe gehörten in 2008 erstmals zu den Top-Berufen der sofort zu besetzenden offenen Stellen, in keinem Berufsfeld gab es im letzten Jahrzehnt eine vergleichbare Steigerung der Anzahl sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigter.[1] Auch in der Kinder- und Jugendhilfe ist entsprechend ihrer wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung als eine zentrale Sozialisationsinstanz und aufgrund zunehmender Unterstützungs- und Hilfeerfordernisse ein gesteigerter Bedarf an geeigneten Fachkräften vor allem in der Kindertagesbetreuung, aber auch bei den Hilfen zur Erziehung, in der Kinder- und Jugendarbeit sowie in der Jugendsozialarbeit zu verzeichnen.[2] Dieser Bedarf wird sich in den nächsten Jahren auch nicht dadurch verringern, dass vor dem Hintergrund des  demografischen Wandels der Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung abnehmen wird. 

Es lassen sich grob drei verschiedene Formen des Fachkräftemangels bestimmen: der quantitative Fachkräftemangel im Sinne eines zählbaren Bedarfs (insbesondere im Kita-Bereich), der qualitative Fachkräftemangel (im Sinne eines Mangels an geeignetem Personal, beispielsweise im ASD) und der gefühlte Fachkräftemangel (auf der Basis subjektiver respektive trägerspezifischer Einschätzungen und Erfahrungen).

Ähnlich wie die Diskussionen über die Prekarisierung der Beschäftigungs-verhältnisse und über die Folgen der neuen Studiengänge wird auch die Debatte über den Fachkräftemangel zwar meinungsstark geführt, es mangelt jedoch an repräsentativen wissenschaftlichen Untersuchungen. Einleitend sollen deshalb Thesen zu Entwicklungen formuliert werden, die in ihrem Zusammenwirken zur Entstehung eines Fachkräftemangels beitragen können:

  • Von zentraler Bedeutung ist der demografische Wandel, der in einer Ausdünnung der jungen und einem Anwachsen der älteren Jahrgangskohorten in der Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Im real zu erwartenden Umfang immer noch unklar, führt dieser Wandel in jedem Fall dazu, dass die Anzahl derer, die sich für einen Beruf in der Kinder- und Jugendhilfe entscheiden können, absolut geringer wird (und damit bei unverändertem Berufswahlverhalten auch die Anzahl der Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger abnehmen wird). Darüber hinaus stellt sich zunehmend das Problem des Ersatzbedarfs nach Verrentungsschüben.[3] 
  • Durch den Ausbau vorhandener und die Entwicklung neuer Arbeitsfelder ist der Gesamtbedarf an qualifizierten Arbeitskräften gewachsen. Am Anfang des neuen Jahrtausends betrug der Stellenzuwachs in den sozialen Diensten zwischen drei und vier Prozent pro Jahr. Hierbei spielt die Kinder- und Jugendhilfe eine maßgebliche Rolle.
  • Veränderte Motivationslagen bei den Nachwuchsfachkräften könnten sich dahingehend  auswirken, dass die oft geringe materielle Attraktivität und gesellschaftliche Wertschätzung des Berufs zu einer verstärkten Abwanderung in andere Berufsfelder oder gar zu alternativen Studienwahlentscheidungen führen. Das Ergebnis wäre die Meidung eines Berufsfeldes, in dem bisher immer eine gewisse Neigung zur „Selbstausbeutung“ Voraussetzung war. 
  • Die Umstellung auf die gestuften Studiengänge war vielfach mit dem Wegfall des Berufsanerkennungsjahres verbunden. Das bedeutet für die Träger, dass sie den Personalnachwuchs nun direkt vom Arbeitsmarkt rekrutieren müssen, statt das Anerkennungsjahr als Personalauswahl- und -entwicklungsinstrument nutzen zu können. Dies mag zu einer veränderten Wahrnehmung der Arbeitsmarktsituation auf Trägerseite beitragen.
  • Nicht wenige Anstellungsträger der Sozialen Arbeit äußern zunehmend die Erwartung, dass die Ausbildungsträger Arbeitskräfte passgenau (also auch spezialisiert oder sogar betriebsspezifisch ausgebildet) „zuliefern“. Da die Hochschulen aber überwiegend und begründet auf der generalistischen Orientierung des Bachelorstudiums bestehen, kann bei den Trägern der Eindruck eines qualitativen Fachkräftemangels entstehen.[4] 
  • Aufgrund einer relativ geringen überregionalen Mobilitätsbereitschaft der Studierenden wie der Absolventinnen und Absolventen kommt es insbesondere in sogenannten strukturschwachen Regionen und insgesamt in ländlichen Regionen verstärkt zu einem Mangel an Nachwuchs in der Sozialen Arbeit. In den neuen Bundesländern wird auf diese Situation partiell bereits mit besonderen Rekrutierungs- und Anreizverfahren reagiert.
  • Bei der Gewinnung von Nachwuchs für soziale Berufe ist im Hinblick auf den Wegfall des Zivildienstes ein erschwerter Zugang zu jungen Männern zu erwarten. Diese kamen bislang erfahrungsgemäß häufig über die Jugend(verbands)arbeit oder eben den Zivildienst zur Kinder- und Jugendhilfe. Die Potenziale eines Bundesfreiwilligendienstes in dieser Hinsicht sind noch unklar. 


1.1. Kindertagesbetreuung 

Bereits heute zeichnet sich in etlichen Regionen ein Fachkräftemangel im Bereich der Kindertagesbetreuung ab.[5] Hauptursache ist der seit Jahren stattfindende massive Ausbau der Angebote der Kindertagesbetreuung im U3-Bereich. Dieser Prozess wird noch einige Zeit anhalten und die Anzahl der Stellen wird sich am Ende deutlich erhöht haben. Bereits jetzt sind die Beschäftigtenzahlen seit Inkrafttreten des Kinderförderungsgesetzes (KiföG) gestiegen. Im Elementarbereich sind bei einer enormen Zunahme von Teilzeitbeschäftigungen (Absenkung der Vollzeitquote von 2000 bis 2008 von 52 auf 49 Prozent)6 allein im Jahr 2010 fast 21.000 Vollzeitäquivalente hinzugekommen.[7 ]

Bei weiterhin wachsenden Anforderungen an die Leistungen, die der Elementarbereich erbringen soll (zum Beispiel im Kontext früher Hilfen, von Bildungsförderung und Inklusion)8 wird der Personalbedarf noch stärker wachsen. So planen einige Länder eine Verbesserung des Personalschlüssels und den weiteren Ausbau der Ganztagsplatzangebote.

Parallel zu dieser Entwicklung gibt es in vielen Einrichtungen, insbesondere in den neuen Bundesländern, eine Vielzahl von Fachkräften, die aus Altersgründen das Arbeitsfeld demnächst verlassen werden. 

Darüber hinaus haben die an Fachschulen ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher mit den neuen Bachelorstudiengängen zunehmend die Möglichkeit, ein Studium an ihre Ausbildung anzuschließen, weshalb sie dem Arbeitsmarkt erst später und möglicherweise nicht im ursprünglich angestrebten Tätigkeitsfeld zur Verfügung stehen. 


1.2. Hilfen zur Erziehung 

Das Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung umfasst die stationären und teilstationären Hilfen, die ambulanten Hilfen und die Arbeit der Beratungsstellen. Auch die Hilfen zur Erziehung sind mit nahezu 70 Prozent ein Frauenarbeitsfeld, wenngleich der Anteil der Männer verglichen mit der Kindertagesbetreuung deutlich höher liegt. Die Arbeit erfolgt in interdisziplinären Teams, wobei in den stationären Hilfen nahezu zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten und der Anteil an Erzieherinnen und Erziehern fast die Hälfte dieser Beschäftigten ausmacht. Die Altersstruktur in den einzelnen Teilbereichen ist sehr unterschiedlich. So zeichnet sich ab, dass in den nächsten 15 Jahren das altersbedingte Ausscheiden in den Erziehungs-beratungsstellen zum großen Problem wird, während parallel dazu – angesichts steigender Nachfrage nach frühen Hilfen, Trennungs- und Scheidungsberatung und Unterstützung für Familien in immer schwierigeren Lebenslagen – diese Angebote eigentlich ausgebaut werden müssen.

In den stationären Hilfen steigen die pädagogischen Aufgabenstellungen und  Anforderungen, während sich die Rahmenbedingungen für die dort Tätigen verschlechtern. Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in immer komplexeren Problemlagen erfolgt zunehmend unter ökonomischem Druck, mit immer kürzerer Verweildauer und entsprechend hoher Fluktuation. Dem gegenüber stehen Teams, in denen ein großer Anteil über 40 Jahre alt und nach langjähriger Arbeit im Schicht-, Wochenend- und Nachtdienst zunehmender vom Burnout bedroht ist. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn die Befürchtung geäußert wird, dass der Verteilungskampf um pädagogisches Personal zu Lasten der Hilfen zur Erziehung gehen könnte. Für Erzieherinnen und Erzieher aus den stationären Hilfen ist die Arbeit in der Kindertagesbetreuung, deren gesellschaftlicher Stellenwert und die damit einhergehende Wertschätzung deutlich angestiegen ist, eine durchaus erstrebenswerte Alternative zu ihren bisherigen Arbeitsbedingungen. 

Eine weitere – hier fachlich nicht kommentierte – Entwicklung, die zu einer Steigerung des sozialpädagogischen Personalbedarfs in den Hilfen zur Erziehung führen dürfte, ist die zunehmende Ersetzung psychologischer Fachkräfte durch sozialpädagogische. 


1.3. Kinder- und Jugendarbeit 

Auch im Arbeitsfeld der offenen Kinder- und Jugendarbeit ist der Fachkräftemangel spürbar. Zunehmend klagen Träger von Einrichtungen und Angeboten, dass sie für freie Stellen kaum geeignetes Personal finden. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Die generelleren Ursachen des Fachkräftemangels – schlechte Bezahlung, mangelnde Attraktivität des Berufes, ungesicherte Arbeitsverhältnisse, eingeschränkte Aufstiegs-möglichkeiten und geringe gesellschaftliche Anerkennung  – gelten für die Kinder- und Jugendarbeit in besonderem Maße; hinzu kommen einige spezifische Bedingungen. 

In den letzten Jahren hat sich die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen entscheidend verändert. Durch die zunehmende Einführung von Ganztagsschulen im Primarbereich und in der Sekundarstufe I sind die Schulen zu einer zentralen Instanz des Aufwachsens geworden. Sowohl die Kinder- und Jugendarbeit als auch die Jugendverbandsarbeit wurden zur Kooperation aufgefordert und durch unterschiedliche finanzielle Fördermöglichkeiten bestärkt, sich diesem neuen Arbeitsfeld intensiv zu widmen. Gleichzeitig wurde die Diskussion über die Notwendigkeit von Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit neu geführt. Dies passiert zwar periodisch in regelmäßigen Abständen, die neue Qualität ist aber, dass es nunmehr eine scheinbare Alternative gibt: das Engagement der Kinder- und Jugendhilfe im Strukturrahmen Schule. 

Den Fachkräften erscheint eine Tätigkeit im Kontext von Schule als eine attraktive Alternative zu den Anforderungen der Kinder- und Jugendarbeit. Ein auf Freiwilligkeit basierendes Arbeitsfeld, in dem jede Nachlässigkeit sofort durch eine „Abstimmung mit den Füßen“ sichtbar wird, kann nun durch ein „geordnetes“ Angebot ersetzt werden. Mädchen und Jungen halten sich in der Schule auf, sind von ihren Eltern für ein Betreuungsangebot angemeldet oder besuchen eine Ganztagsschule, die Arbeitszeit ist geregelt und spätestens um 16.30 Uhr beendet. Schule rückt in den Mittelpunkt und die Akzeptanz ist groß, sowohl bei den Eltern als auch in der Öffentlichkeit. Im Gegensatz dazu verändert sich die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit. Angebote am Nachmittag finden kaum noch Besucherinnen und Besucher. Verstärkt müssen Einrichtungen und mobile Maßnahmen ihre Projekte und Gruppen in den Abendstunden und am Wochenende anbieten. Das sind weder attraktive noch familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Warum also nicht gleich in dem neuen Arbeitsfeld Schule arbeiten?

Zusätzlich verstärkt wird dieser Richtungswechsel durch die knappen finanziellen Ressourcen, die die Förderhöhe der „Pflichtaufgabe Kinder- und Jugendarbeit“ neu zu definieren versuchen. Vielerorts werden Einrichtungen verkleinert oder geschlossen und nur noch Teilzeit- oder befristete Arbeitsverträge vereinbart. Obwohl in der Fachwelt über die Notwendigkeit der außerschulischen Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit Einigkeit herrscht, existiert parallel dazu eine große Unsicherheit über die Zukunft dieses Arbeitsfeldes. Es ist somit verständlich, dass sich Fachkräfte von der Kinder- und Jugendarbeit abwenden und auf eher „gesicherte“ Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe konzentrieren. 

Kommt dazu noch eine Konzentration vieler Ausbildungseinrichtungen auf frühkindliche Bildung und Kinderschutz, wird das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendarbeit nicht ausreichend wahrnehmbar und bietet somit keine Alternative in der eigenen Berufsplanung.


1.4. Jugendsozialarbeit

Angesichts des in letzter Zeit zu konstatierenden Rückgangs des Gesamtfördervolumens[9] für Jugendsozialarbeit im Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe muss die Betrachtung dieses Handlungsfeldes im Kontext von Fachkräftemangel weniger einen quantitativen als einen qualitativen Charakter im Sinne eines Mangels an geeignetem Personal haben. 

Beim Vergleich des Personalbestandes verschiedener Tätigkeitsfelder der Jugendsozialarbeit lassen sich jedoch auch in quantitativer Hinsicht unterschiedliche Entwicklungen feststellen: das Personal der Schulsozialarbeit hat sich zwischen 2002 und 2006 verdoppelt, während für den Bereich Jugendwohnen Stagnation gilt. Die Jugendberufshilfe als Teil der Jugendsozialarbeit ist zwischen 2004 und 2008 um 20 Prozent zurückgegangen.[10]

Insgesamt besteht ein schlechter Überblick über Zahlen und Kapazitäten, da die Leistungen der Jugendsozialarbeit in großem Umfang nicht über die Kinder- und Jugendhilfe finanziert sind (sondern über SGB II und III).[11] Diese Leistungen werden aber zum Beispiel im Rahmen von Berufs-einstiegsbegleitung in der Regel von sozialpädagogischen Fachkräften erbracht. 

Eine valide Personalbedarfsanalyse fehlt für die Jugendsozialarbeit ebenso wie für andere Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe, besonderer Mangel scheint aber insbesondere an Fachkräften mit Migrationshintergrund und Migrationserfahrungen sowie Fachkräften für Jungenarbeit zu bestehen. 

Viele Beschäftigte in der Jugendsozialarbeit arbeiten auf der Basis von Teilzeitverträgen für eine relativ geringe Entlohnung. Es lohnt, auf die wissenschaftliche Begleitung des Bundesprogramms „Berufseinstiegs-begleitung“ zu verweisen, um darzulegen, wie die Grundsätze der Vergabe dieser Maßnahmen der Jugendsozialarbeit zu Niedrigpreislogiken und einer massiven Fluktuation von Fachkräften führt. Unter solchen Umständen wird es immer schwieriger, geeignetes Personal mit dem notwendigen umfassenden Anforderungsprofil zu finden. 

2. Strategien und Maßnahmen gegen Fachkräftemangel

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, müssen Strategien und Maßnahmen an differenzierte Situations- und Ursachenbeschreibungen für die unterschiedlichen Arbeitsfelder anknüpfen können. In der Situation des Fachkräftemangels gibt es mehr offene Stellen als Absolventen und Absolventinnen der Ausbildungsgänge, welche unter diesen Umständen bereits in der Ausbildung die Erfahrung machen, dass sie gebraucht werden. Die Anstellungsträger wiederum geraten bei der Suche nach geeigneten Fachkräften tendenziell in eine Konkurrenzsituation zueinander. Dabei ist auch an Situationen zu denken, in denen Anstellungsträger im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mit Anstellungsträgern aus anderen Feldern Sozialer Arbeit konkurrieren. 

Angesichts knapper öffentlicher Mittel und der Tarifbindung sind es vor allem „weiche“ Faktoren, mit denen Anstellungsträger um Fachkräfte werben und sie längerfristig an sich binden können. Es steht zu befürchten, dass Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe, die vergleichsweise weniger attraktive Arbeitsplätze bereithalten können und Schwierigkeiten bei der Gewinnung pädagogischer Fachkräfte haben, durch höhere Personalfluktuationen, vakante Stellen und erhöhte Arbeitsbelastungen weitere Einbußen an Ansehen und Attraktivität hinnehmen müssen und die erforderlichen qualitativen Standards nicht einhalten können. Der Fachkräftemangel dürfte sich ferner auch regional unterschiedlich auswirken, da – wie in anderen Berufsfeldern auch – zum Beispiel jüngere weibliche Fachkräfte ländlich geprägte Regionen in den ostdeutschen Bundesländern verstärkt verlassen, und in den größeren Städten im Westen Deutschlands ins Berufslebens starten.  

Den Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel durch Rationalisierungs-maßnahmen zu begegnen, sind enge Grenzen gesetzt, will man die fachlichen Standards halten und Qualitätseinbußen vermeiden. Rationalisierungs-möglichkeiten im Sinne einer verbesserten technisch gestützten Verwaltungs- und Ablauforganisation sollte der Vorrang vor einer Verringerung des Einsatzes von Fachkräften und damit einhergehenden Verschlechterungen  in den Fallrelationen bzw. den Gruppengrößen eingeräumt werden. 

In vielen Feldern hat es schon in den letzten Jahren eine zum Teil erhebliche Verdichtung pädagogischer Tätigkeiten gegeben, die zum Beispiel zu einem weitgehenden Wegfall von Vor- und Nachbereitungszeiten der Fachkräfte in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung führten. Diese Entwicklung kontrastiert schon heute mit den zugleich gestiegenen und veränderten fachlichen Erwartungen an Einrichtungen der Kindertagesbetreuung.  Ähnliches ließe sich für andere Leistungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe aufzeigen. Maßnahmen einer weiteren Verdichtung pädagogischer Tätigkeiten führen vor allem zu Qualitätseinbußen sowie zu einer zusätzlichen psychischen und gesundheitlichen Belastung der Fachkräfte. 

Die Stärkung des Ehrenamtes und des zivilgesellschaftlichen Engagements ist in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung Sozialer Arbeit und kann auch für die professionellen Fachkräfte zu einer Entlastung in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien beitragen. Als eine gezielte Strategie, dem Fachkräftemangel zu begegnen, dürfte eine Stärkung des Ehrenamtes aber nur in begrenztem und je nach Arbeitsfeld sehr unterschiedlichem Maße sinnvoll und Erfolg versprechend sein. Ehrenamtliche Tätigkeit ist in der Regel nicht mit derselben fachlichen Qualifikation, zeitlichen Verfügbarkeit, Verbindlichkeit und Verantwortungsübernahme verbunden, die für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in vielen Feldern unerlässlich ist.  

Um dem Fachkräftemangel durch Personalentwicklung zu begegnen, sind neben alterns- und altersgerechten Konzepten stabile Arbeitsbedingungen für junge Fachkräfte, Einarbeitungskonzepte, Ressourcen für die Gestaltung der Berufseinmündungsphase[12], interdisziplinäre und multiprofessionelle Teamzusammensetzungen sowie die Nutzung vorhandener Fachkräfte-potenziale (etwa durch Anhebung von Beschäftigungsumfängen Teilzeitbeschäftigter) notwendig. 

Zur Fachkräftegewinnung gehört zuvörderst die Stärkung der gesellschaftlichen Anerkennung der Kinder- und Jugendhilfe. Darüber hinaus müssen Anstrengungen unternommen werden, die dazu führen, dass Frauen in einem deutlich größeren Umfang Leitungsfunktionen übernehmen und die den Anteil von Mitarbeitenden mit einem Migrationshintergrund oder Migrationserfahrungen erheblich erhöhen.[13[ Weitere Stichworte sind Wiedereinstieg, Quereinstieg und Maßnahmen zur Förderung des Verbleibs der Mitarbeitenden. 


2.1. Kindertagesbetreuung 

Im Bereich der Fachkräfte für den Elementarbereich zeichnet sich ab, dass es neben bundesweiten Aktivitäten zur Fachkräftegewinnung[14] und der Bereitstellung zusätzlicher Qualifizierungsangebote vor allem um regional und örtlich verankerte Strategien der Personalförderung, der Personalbindung sowie der Personalgewinnung gehen muss. Beispiele hierfür sind unter anderem Fort- und Weiterbildungsangebote (der Kommunen), zum Beispiel Praxistage an Fachhochschulen und berufsbegleitende Zusatzausbildungen. Ebenso zu nennen sind die Förderung von „Nichtschülerprüfungen“ und Quereinstiegen auf Grundlage von Vorbereitungskursen sowie Kursangebote für „Rückkehrerinnen“. Manche kommunalen Arbeitgeber sind bereits dazu übergegangen, mit Zusatzleistungen zur Bezahlung um Erzieherinnen und Erzieher zu werben – so bietet etwa  München günstigen Wohnraum. Weitere Maßnahmen zur Gewinnung potentieller Interessenten sind die gezielte Information von Jungen in Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen sowie Praktika in Kitas.

Besonderes Augenmerk verlangt auch die grundsätzliche gesellschafts-politische Einbettung der Kindertagesbetreuung. Immer noch wird den Berufsangehörigen nicht die entsprechende und ihnen zustehende Wertschätzung entgegen gebracht, wird der kulturelle Beitrag von Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern in der Gesellschaft nur unzureichend gewürdigt. Dies führt als Konsequenz teilweise zur Abwanderung in den Hochschulbereich oder in andere Handlungsfelder. So bevorzugen beispielsweise männliche Erzieher mehr das Berufsfeld der Heimerziehung. Immer noch müssen Erzieherinnen und Erzieher sich zudem weiterhin mit schlechter Bezahlung und fehlenden geregelten Aufstiegsmöglichkeiten auseinandersetzen.  

Der trotz regionaler Besonderheiten existierende Bedarf nach bundesweit gleichartigen oder vergleichbaren Maßnahmen öffnet einen großen Markt für Bildungsträger. Allerdings erfordert die Realisierung solcher Maßnahmen geeignete Rahmenbedingungen und Ressourcen. So benötigen Ausbildungsstätten beispielsweise Kompensationen für die Zusatzbelastungen durch eine Öffnung für "Nichtschülerprüfungen" oder für die intensive Förderung von Schülerinnen und Schülern mit unzureichenden Vorkenntnissen.


2.2. Hilfen zur Erziehung 

Maßnahmenpakete gegen den Fachkräftemangel im Bereich der Erziehungshilfen sind  im Vergleich zur Kindertagesbetreuung schwieriger zu schnüren. Die unterschiedlichen Hilfearten und die in diesem Feld größere Bandbreite an Berufsgruppen, die in interdisziplinären Teams beziehungs-weise Settings zusammenarbeiten, haben verschiedene  Ausbildungswege, Abschlüsse und somit auch entsprechend anzupassende fachliche Standards zur Folge. Wie hier die Absolventinnen und Absolventen der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge eingeordnet werden können, ist noch unklar, da die Ausdifferenzierung und deutliche Spezialisierung dieser Studiengänge die Übersicht erschwert und damit einhergehend die Maßnahmen zur Fachkräftesicherung.

Modelle zur Erleichterung des Quereinstiegs von Erzieherinnen und Erziehern, wie sie für die Kindertagespflege bereits entwickelt werden, sind nicht eins zu eins in die Erziehungshilfen übertragbar. Die Erweiterung der Kapazitäten für berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher hat zum Beispiel in Berlin die Nachfrage signifikant erhöht. In den stationären Hilfen ist der Einsatz von Erzieherinnen und Erziehern über einen Quereinstieg unter anderem durch die dieser Hilfeform innenwohnenden Arbeitsbedingungen eingeschränkter. So ist zum Beispiel kein Einsatz im Nachtdienst möglich, was nicht unerhebliche Folgen für die Dienstplangestaltung hätte. Dennoch kann durch die Zulassung von Ausnahmen bei der Anerkennung als Fachkräfte dem akuter werdenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Um die Qualität der Arbeit und notwendige fachliche Standards auch weiterhin zu sichern, müssen für diese Ausnahmen jedoch klare Voraussetzungen und Verfahren definiert und festgelegt werden.

Selbstverständlich besteht auch für das Feld der Hilfen zur Erziehung die Notwendigkeit, sich frühzeitig und nachhaltig um familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu bemühen, Gesundheitsförderung und Personal-entwicklung ist als zentrale Aufgabe der Arbeitgeber anzuerkennen und trägt auch dazu bei, ein Arbeitsklima zu schaffen, das einen hohen Grad an Identifikation der Beschäftigten mit ihren Aufgaben und ihrem Arbeitsplatz ermöglicht.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Hilfen zur Erziehung und hier besonders in den stationären Hilfen sehen sich oft schlecht bezahlt, gesellschaftlich wenig anerkannt und im „Ranking“ der Kinder- und Jugendhilfe am unteren Ende angesiedelt. Entscheidend für den Erfolg von Maßnahmen gegen Fachkräftemangel im Bereich der Hilfen zur Erziehung wird deshalb auch sein, ob es gelingt, die Bedeutung und gesellschaftliche Wertschätzung dieser Arbeit abzugleichen mit der frühkindlichen Bildung und Betreuung, den frühen Hilfen zum Schutz von Kindern und der Unterstützung ihrer Familien.


2.3. Kinder- und Jugendarbeit 

Es reicht nicht aus, die mangelnde Wertschätzung, die unzureichende Bezahlung und die fehlende gesellschaftliche Anerkennung von Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit zu skandalisieren, wenn man qualifiziertes Personal für die Kinder- und Jugendarbeit gewinnen möchte. Es gilt vielmehr, die immense gesellschaftliche Bedeutung dieses Handlungsfelds und damit die Kompetenz und Wirkkraft der darin Tätigen im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zu verdeutlichen. Junge Männer und Frauen müssen über das Arbeitsfeld so informiert werden, dass ihr Interesse geweckt wird. Durch praktisches Kennenlernen bei kurzzeitigen Aktionen wie dem „Boys'Day“, einem langfristig angelegten Freiwilligen Sozialen Jahr oder nunmehr auch einem Bundesfreiwilligendienst können Einblicke in das Arbeitsfeld ermöglicht werden. 

In den Ausbildungseinrichtungen sollten die Anstellungsträger in unterschiedlicher Form vertreten sein, sei es durch das Anbieten von Praktikumsplätzen, der Teilnahme an Praxistagen, der Beteiligung an Veranstaltungen oder das Vorstellen des Praxisfeldes in Seminaren. Im Gegenzug erfahren die Anstellungsträger, über welche Qualifikationen Bachelor- und Masterabsolvierende verfügen. Im Idealfall kommt es zu gemeinsamen Trainee-Programmen. 

Das Personalentwicklungskonzept der Träger muss berücksichtigen, dass Fachkräfte in der Regel nur einen begrenzten Zeitraum in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind und entsprechende Alternativen in anderen Handlungsfeldern der Jugendhilfe sowie Aufstiegschancen bieten. Dabei sind die erworbenen Qualifikationen im Arbeitsfeld wie Selbstorganisation, Netzwerkarbeit, interkulturelle Kompetenz und eigenverantwortliches Handeln in besonderem Maße bei der Karriereplanung zu berücksichtigen. Vor allem müssen diese Möglichkeiten bereits bei der Einstellung den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern bekannt sein. Ferner muss es darum gehen, für die derzeit Beschäftigten durch eine konsequente Personalentwicklung Ausgleiche für die andauernden ungünstigen Arbeitszeiten zu schaffen und langfristig Möglichkeiten für eine berufliche Veränderung zu eröffnen.


2.4. Jugendsozialarbeit

Ein Mangel an geeignetem Personal für die Tätigkeitsbereiche der Jugendsozialarbeit könnte zu einer Verfestigung sozialer Spaltung führen, wenn Kinder und Jugendliche in ohnehin schwierigen Lebenslagen in Betreuungssettings kommen, die ihrerseits durch strukturelle Vernachlässigung und einen Mangel an geeignetem Fachpersonal ihre Fähigkeit zu wirksamer sozialpädagogischer Hilfe einbüßen. Strategien und Maßnahmen zur Qualifizierung, Gewinnung, und Bindung von Fachkräften sind deshalb dringend notwendig, können aber nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Jugendsozialarbeit und hier vor allem die Jugendberufshilfe nicht länger eine Niedriglohnbranche bleibt. Finden hier nicht insgesamt entscheidende Verbesserungen statt, werden auch Versuche, mehr Personal mit Migrationshintergrund und Migrationserfahrungen sowie Fachkräfte für die Jungenarbeit zu gewinnen, folgenlos bleiben müssen.  


3. Herausforderungen für Aus- und Fortbildung, Anstellungs-träger und Politik  

Der allgemeine Wettbewerb um Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt stellt Berufsangehörige der Sozialen Arbeit grundsätzlich vor eine positive Beschäftigungssituation. Dennoch besteht in – für die Kinder- und Jugendhilfe voraussehbar begrenzten – Zeiten von Fachkräftemangel die Gefahr, dass unter stärker restriktiven Bedingungen Fachlichkeit gemessen an pragmatischen Qualifizierungs- und Beschäftigungslösungen definiert wird. 

Die veränderte Situation am Arbeitsmarkt für soziale Berufe zieht neue Herausforderungen für die Aus- und Fortbildung, die Anstellungsträger und auch die (kommunale) Sozialpolitik nach sich. Waren bis vor wenigen Jahren insbesondere Berufsgruppen mit akademischer Qualifikation in größerer Zahl nach Ausbildungsabschluss erwerbslos und bereit, ihre Erwartungen hinsichtlich der Entlohnung ihrer Tätigkeiten herabzusenken, um überhaupt eine Anstellung in ihrem gewünschten Berufsfeld finden zu können, hat sich diese Situation heute tendenziell umgekehrt. Nun stehen Anstellungsträger und Sozialpolitik in der Gefahr, fachliche Standards und Qualität aufs Spiel zu setzen, um in kurzer Frist Strategien der Personalgewinnung zu entwickeln, die längerfristig negative Folgen für die Leistungsfähigkeit des Systems und vor allem für die Kinder und Jugendlichen haben könnten. 

Wie in zahlreichen anderen Berufsfeldern gilt auch im Bereich der Sozialen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien unverändert der Erfahrungssatz, dass eine professionelle und methodisch fachgerechte Arbeitsweise nicht nur hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überlegen ist, sondern auch zusätzliche Konflikte und pädagogisch schwierige Situationen vermeiden hilft und damit letztlich auch zeitökonomischer ist. Vor diesem Hintergrund bleiben eine qualifizierte Ausbildung wie eine zielgerichtete und kontinuierliche Personalentwicklung und Fortbildung der Fachkräfte auch – oder gerade – in Zeiten des Fachkräftemangels unerlässlich. 

In die Kinder- und Jugendhilfe sollten Aus- und Weiterbildungswege führen, die über formale Qualifikationen hinaus eine stärkere Durchlässigkeit ermöglichen – auch im Sinne einer „Europäisierung“ der Sozialen Arbeit. Langfristig wirksamer als Kurzqualifikationen von Quereinsteigern sind berufsbegleitende Weiterbildungsangebote in Kombination mit formalen Verfahren der Anerkennung nachgewiesener einschlägiger Berufs-erfahrungen, wie sie etwa in Frankreich üblich sind. Ferner ist es möglich, ältere Fachkräfte, die zugunsten anderer Tätigkeiten das Arbeitsfeld verlassen haben, für einen (Wieder-)Einstieg in den Beruf zu gewinnen. 

Die Kernfrage lautet, wie Ausbildungskapazitäten erhöht und fachliche Standards aufrechterhalten werden können. Dies ist auch und insbesondere bei Modellen der multidisziplinären Öffnung von Teams erforderlich. Gerade hier ist eine Berücksichtigung persönlicher Eignung und Affinität für das Arbeitsfeld sowie ausreichende Personalqualifizierung notwendig – bloße Umschulungen reichen oft nicht aus und generalistische Qualifizierungen sind nicht beliebig verdichtbar. Für Anstellungsträger sollte gelten, dass eine Öffnung von Teams für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger nur bei fachlich vertretbarer und mit den Zuwendungsgebern in den Vereinbarungen zu Leistungsentgelten zu regelnden Relationen zu formal qualifizierten Fachkräften erfolgen sollte. Wo möglich, sollte eine stärkere Differenzierung nach fachlichen Qualifikationsanforderungen spezialisierter Aufgaben angestrebt werden. 

Anstellungsträger können die Attraktivität des Arbeitsfeldes durch eigene Maßnahmen steigern, etwa durch alters- und alternsgerechte sowie verlässliche Arbeitsbedingungen. Systematische Fortbildungsangebote und Berufseinmündungskonzepte – besonders für die Absolventen und Absolventinnen der neuen Studiengänge –, Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und nicht zuletzt bessere, auch übertarifliche Bezahlung und Zulagen sind Maßnahmen, die in der Verantwortung von Trägern und Aufsichtsbehörden liegen. Fachlichkeit hat ihren Preis, Fachkräftemangel und prekäre Arbeitsbedingungen sollten sich ausschließen. 

Auf der Grundlage der EU-Richtlinie 2005/36/EG zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen ist im europäischen Raum inzwischen ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland erleichtern könnte. Die schrittweise Schaffung eines europäischen Arbeitsmarktes könnte die hiesigen Anstellungsträger aber auch der Konkurrenz aus anderen Ländern aussetzen, so dass abzuwarten bleibt, inwieweit sich hieraus Erfolg versprechende Strategien, dem Fachkräftemangel zu begegnen, entwickeln lassen. Insbesondere sind aber noch Erfahrungen abzuwarten, ob trotz formal gleicher Qualifikation kulturell bedingte Unterschiede des Erziehungsverständnisses sowie Sprachbarrieren verbleiben. 

Von der Politik sind im Sinne der genannten Maßnahmen geeignete Rahmensetzungen für die Anstellungsträger zu erwarten. Es gehört zur politischen Verantwortung, nicht etwa strategische Vorwände für eine Politik des demographischen Aussitzens zu suchen, sondern gerade jetzt die Notwendigkeit des Schutzes und der Stärkung der Belange von Kindern und Jugendlichen zu erkennen und in diesen Bereich zu investieren. Es gilt, Bedingungen zu schaffen, die der gesellschaftlichen Bedeutung der Leistungen von Kinder- und Jugendhilfe entsprechen. 

Im Sinne von differenzierten Strategien und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in den einzelnen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe muss der konkret vorhandene oder zu erwartende jeweilige Bedarf an Fachkräften durch valide Bedarfsprognosen erfasst werden.[15] Darüber hinaus wird es notwendig sein, den Verbleib der Absolventinnen und Absolventen von Ausbildungsgängen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wissenschaftlich zu erfassen.  

Für eine positive Konnotation der notwendigen Diskussion über Strategien und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe spricht aus Sicht der AGJ eine immer wieder bestätigte Erkenntnis: Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten grundsätzlich gerne in ihren Tätigkeitsfeldern, soziale Verantwortung wird positiv erlebt. Hier gilt es anzuknüpfen. 

 

Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 6./7. April 2011

 

[1] Vgl. Heckmann, Markus; Kettner, Anja; Rebien, Martina (2009): Offene Stellen im IV. Quartal 2008: Einbruch in der Industrie - Soziale Berufe legen zu. (IAB-Kurzbericht, 11/2009), Nürnberg. Vgl. auch Maier, Konrad; Spatscheck, Christian (2010): Materialien zur Entwicklung des Arbeitsmarktes für Sozialarbeiter-Innen/SozialpädagogInnen mit Fachhochschulabschluss in der Bundesrepublik Deutschland (Schaubild 4).
[2] Vgl. Fuchs-Rechlin, Kirsten (2010): Das Personal in Kitas, In: Kommentierte Daten der Kinder- und Jugendhilfe, 3/10, S. 1-2. Vgl. auch „Erziehungshilfe hilflos – Wenn Fachkräfte fehlen“. Dokumentation der Fachtagung vom 07.05.2009, Pädagogischer Rundbrief, 3/2009. 
[3] Vgl. Anforderungen an Personalentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (9./10. April 2008).
[4] Vgl. Frühpädagogische Studiengänge im Spannungsfeld von Spezialisierung und Generalisierung. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (27. April 2010).
[5] Vgl. Rauschenbach, Thomas; Schilling, Matthias (2010): Der U3-Ausbau und seine personellen Folgen. Empirische Analysen und Modellrechnungen. Studie im Rahmen des Projekts Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF).
[6] Vgl. Fuchs-Rechlin, Kirsten (2010): Die berufliche, familiäre und ökonomische Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen. Sonderauswertung des Mikrozensus im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung der GEW.
[7] Vgl. Fuchs-Rechlin, Kirsten (2010): Das Personal in Kitas, In: Kommentierte Daten der Kinder- und Jugendhilfe, 3/10, S. 1-2.
[8] Vgl. Anforderungen an Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen. Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2./3. Dezember 2009). Vgl. auch Qualität von Erziehung, Bildung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen – Einschätzungen zum Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kleinkinder. Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (25./26. Februar 2010).
[9] In der Konsequenz ist der Personalbestand insgesamt zwischen 2002 und 2006 um rund sechs Prozent zurückgegangen. Der Personalanteil der Jugendsozialarbeit an der Kinder- und Jugendhilfe ist mit 3,5 Prozent (Einrichtungen) beziehungsweise 2,6 Prozent (Jugendämter) insgesamt sehr gering. (Vgl. Arbeitspapier der Stabsstelle des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit (2010): Jugendsozialarbeit § 13 SGB VIII als Aufgabe der Jugendhilfe?! Informationen zur aktuellen Datenlage, bundesweiten Entwicklungen und fachlichem Hintergrund der Diskussion um die Umsetzung der Jugendsozialarbeit durch die (kommunale) Jugendhilfe.)
[10] Vgl. Schruth, Peter (2011): Zum (notwendigen) Bestand der Jugendsozialarbeit als Teil der Jugendhilfe, In: dreizehn, Heft 4, S. 10.
[11] Vgl. Chancen für junge Menschen beim Übergang von Schule zu Beruf verbessern – Schnittstellenprobleme zwischen SGB II, III und VIII beheben! Positionierung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2./3. Dezember 2010).
[12] Vgl. Berufseinmündung in der Sozialen Arbeit: Gemeinsame Verantwortung von Hochschulen und Anstellungsträgern. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (29./30. September 2010).
[13] Vgl. Personalentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe. Herausforderungen für Leitungshandeln und Qualifizierung. Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2./ 3. Dezember 2010).
[14] Ein Beispiel ist „Profis für die Kita“, eine Initiative von Gewerkschaften und Berufsverbänden gegen Erzieherinnen- und Erziehermangel (www.runder-tisch.eu), die insbesondere auf Männer und Migrantinnen und Migranten abzielt.
[15] Für den U3-Bereich geschieht das derzeit im Rahmen der DJI-Surveyforschung „AID:A - Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“. Anknüpfungspunkte könnte auch der Bericht „Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel“ bieten.